Freiheitsliebendes Multitalent

Warum wurde der Maler Camille Pissarro als Vater des Impressionismus angesehen? Eine Antwort darauf gibt die Doku „Pissarro – Le père de l’impressionisme“. Der Film nimmt uns buchstäblich mit auf eine Reise durch sein Leben und klappert verschiedenste Stationen ab – von seinem Geburtsort Charlotte Amalie auf den Amerikanischen Jungferninseln über Paris, London, Oxford bis hin zu Éragny.
Wenn ich den Namen Pissarro höre, fallen mir Landschaftsbilder im Stil von Corot, aber auch pointillistische Werke ein. Über seine Persönlichkeit wusste ich bisher wenig, zum Beispiel wie charismatisch, vielseitig, und experimentierfreudig er war. Netzwerken gehörte wohl zu seinen Stärken. Er umgab sich gern mit gleichgesinnten Künstlern der Schule von Barbizon, den (Neo)-Impressionisten und später auch Anarchisten. Mit dem dänischen Maler Fritz Melbye reiste er nach Caracas und zeichnete dort das Stadtleben, den Markt und die Tavernen. Eines meiner Favoriten, das gar nicht so typisch für seinen Stil ist, nennt sich „Bananeros“ und zeigt in flüchtigen pastellfarbenen Pinselstrichen eine Bananenplantage.
Ständig wollte er sich weiterentwickeln und verwarf sich auch schon mal mit dem Kunsthändler Paul Durand-Ruel, der sich weigerte, seiner Bilder zu verkaufen. Bemerkenswert ist, dass Pissarro häufig Frauen malte – nicht etwa in der Mutterrolle, sondern bei schwerer Feldarbeit wie Jäten, der Wein- oder Getreideernte. Auf welch gelungene Weise er diese Motive auf Lithographien übertragen hat, ist nur ein weiterer Beweis seines vielseitigen Talents. Ich bekam zum ersten Mal Einblick in das Ashmolean Museum, das die größte Sammlung von Pissarros Werken beherbergt – für mich ein Must-See bei einem Trip nach Oxford.