Intensives Kammerspiel

2025-06-01
Philippinisches Meer
Intensives Kammerspiel

Drei Ehepaare und ein Sohn auf einer Superyacht – das schreit nach einem Kammerspiel mit wachsender Anspannung. Genau das erwartet uns in dem Roman „Blaues Wunder“ von Anne Freytag. 

Walter Bronstein, Chef einer Privatbank, hat zwei seiner engsten Mitarbeiter und ihre Ehefrauen zu einem Geschäftsausflug zu den Philippinen eingeladen. Über die Gründe werden die Gäste genauso wie die Leser lange im Unklaren gelassen. Stattdessen werden geheimnisvolle Andeutungen gestreut, was die Spannung erhöht. Erzählt wird aus der Sicht der drei Ehefrauen Nora, Franziska und Rachel. Dabei sind sie doch nur schmückendes Beiwerk, die ihren erfolgreichen Männern den Rücken frei halten. Oder nicht?

In ihren Ehen mögen sie wenig zu sagen haben, doch in dieser Geschichte lässt die Autorin sie einzeln zu Wort kommen. Abwechselnd kommentieren sie das Verhalten ihrer angeberischen, besitzergreifenden Männer und reflektieren über ihr vergangenes (Ehe-)Leben. Der Kontrast zwischen ihren hasserfüllten Gedanken und ihrem Schauspiel, das sie beim gemeinsamen Essen inszenieren, könnte nicht größer sein. Ihre aufgestaute Wut, ihren Sarkasmus und das Brodeln hinter der Fassade bringt Sandra Voss durch ihre Lesart sehr gut zum Ausdruck. Mit ihrer schonungslosen Erzählweise und messerscharfen Sprache knüpft Anne Freytag nahtlos an ihren Vorgängerroman „Lügen, die wir uns erzählen“ an. 

 
Selbstfindung