Die Kunst zu leben

„The Goldfinch“ ("Der Distelfink") von Donna Tartt könnte für mich das beste Buch des Jahres werden. Es ist ein großartiger Entwicklungsroman mit fein gezeichneten Charakteren, Humor und Tragik, bei dem man sich wünscht, er möge nie enden – trotz der knapp 1000 Seiten.
Die Geschichte beginnt mit einem terroristischen Anschlag auf das Metropolitan Museum of Art in New York, bei dem der Junge Theodore Decker seine Mutter verliert. Er lässt ihr Lieblingsgemälde „The Goldfinch“ des niederländischen Malers und Rembrandt-Schülers Carel Fabritius mitgehen, das von nun an sein ständiger Begleiter wird.
Als unerwartet sein Vater auftaucht und ihn nach Las Vegas mitnimmt, gewinnt die Geschichte richtig an Fahrt. Dort lernt Theo den gleichaltrigen Ukrainer Boris kennen und ist fasziniert von seiner Persönlichkeit – erfahren, waghalsig und voll düsterer Gedanken. Eine innige Freundschaft und eine wilde Zeit voller Alkohol- und Drogenexzesse beginnt.
Es folgen witzige Abenteuer, Schicksalsschläge und die Rückkehr nach New York – die einzige Konstante in Theos Leben bleibt das Gemälde, das ihm emotionalen Halt und Sicherheit gibt „wie ein Wal, der in baltischen Gewässern seine Runden dreht“ – eine von Tartts wunderbaren Metaphern. Ihr Schreibstil begeistert. Später gewinnt das Bild jedoch eine Eigendynamik und bringt Theo noch in richtige Schwierigkeiten.