Systematisch vertuscht

2016-08-29
Boston
Systematisch vertuscht

Der amerikanische Film „Spotlight“ von 2015 beginnt mit einem Personalwechsel. Marty Baron ist neu in Boston und tritt seine neue Stelle als Chefredakteur bei der Boston Globe an. Die Mitarbeiter, darunter das Investigativteam namens ‚Spotlight‘ befürchtet personelle Kürzungen. Baron hat jedoch ganz anderes im Sinn. Er setzt das Team darauf an, Fälle des Kindesmissbrauchs in der Erzdiözese Boston aufzudecken.

Was die Journalisten durch intensive Recherchearbeit nach und nach aufdecken, versetzt den Zuschauer in eine Mischung aus höchster Anspannung, Entsetzen und Sprachlosigkeit, zumal die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht. Es wird deutlich, dass es sich beim Kindesmissbrauch keineswegs um Einzelfälle, sondern um eine ganze Serie handelt. Die Zahl der verdächtigen Priester und der Opfer steigt stetig und der Gipfel ist, dass die Kirche davon wusste, die Verbrechen jedoch vertuschte. Die Reporter arbeiten akribisch Tag und Nacht, stoßen auf Schweigen und Widerstand, schaffen aber durch ihre Hartnäckigkeit Stück für Stück einen Durchbruch. Dabei stellt sich die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, um mit den bisher ermittelten Fakten an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Zeitdruck ist groß, da auch andere Medien eine Story wittern; andererseits will der Herausgeber nicht die Priester, sondern in erster Linie das System, das dahintersteckt, bloßlegen. Für ihre umfassende Berichterstattung von 2001 bis 2003 erhielten die Journalisten damals den Pulitzer Preis. 

Ich fand es bemerkenswert, wie sensibel und differenziert der Film mit dem Thema umgeht und von reiner Schwarz-Weiß-Malerei absieht. Nicht nur die Kirche trifft die Schuld – auch die Medien tragen ihre Verantwortung, da sie zwar hier und da von Einzelfällen berichteten, aber nicht gründlich genug recherchiert und die Zusammenhänge nicht erkannt hatten. Die Interviews mit Opfern und Selbsthilfegruppen zeigen, auf welch grausame Weise ein Leben für immer zerstört wird und welch zwielichtige Arbeit die Anwälte der Gegenseite verrichten – Vertreter des katholischen Establishments dagegen berufen sich auf ihren Glauben, dass die Menschen die Kirche bräuchten, weil sie auch Gutes und Wichtiges leiste. Der Film war für sechs Oscars nominiert und hat verdientermaßen den Preis für den „Besten Film“ und das „Beste Drehbuch“ eingeheimst.

 
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