Hommage an Hokusai und seine begabte Tochter

Zurzeit läuft eine Ausstellung über den japanischen Maler und Holzschnittmeister Katsushita Hokusai im British Museum, die ich zu gern sehen würde. Weltweit bekannt wurde er vor allem durch seinen Farbholzschnitt „Die große Welle vor Kanazawa“ – ein Motiv, das heute noch mehrfach Postkarten, Tassen und Tragetaschen ziert. Er hatte großen Einfluss auf Maler wie Van Gogh, Monet und Klimt und gilt als Vorreiter der Manga-Kultur. Doch kaum jemand hat wohl von seiner Tochter O-Ei gehört, geschweige denn dass sie ebenfalls Malerin war und ihrem Vater bei seinen Werken assistiert haben soll.
Einblick in den Alltag der ungewöhnlichen Künstlerfamilie gibt der Animationsfilm „Miss Hokusai“ von Keiichi Hara, der letztes Jahr um diese Zeit in den Kinos lief. Das Setting bildet Tokio im Jahr 1814, als die Stadt noch Edo hieß. Gleich zu Beginn war ich perplex, dass die 23-jährige Protagonistin mit ihrem selbstbewussten Auftreten und losem Mundwerk so gar nicht in die Zeit passt. Auch gegenüber ihrem Vater gibt sie sich frech und eigensinnig, hat jedoch großen Respekt vor seinem künstlerischen Schaffen. Während dieser nur für seine Kunst lebt und die Familie völlig vernachlässigt, versucht O-Ei auch außerhalb der Malerei ihren Horizont zu erweitern. Von Kunden und Schülern, die in der chaotischen Wohnung voller Papierknäuel und Tintenfässer verkehren, erfahren wir, was den wesentlichen Unterschied zwischen dem alten und der jungen Hokusai ausmacht: er nimmt es mit der Genauigkeit der Figuren nicht so genau, vermag jedoch in seinen Frauenbildern Erotik und Leidenschaft auszudrücken während es bei der Tochter genau umgekehrt ist.
Faszinierend ist, wie typische Motive aus Hokusais Bildern in die locker erzählten Episoden eingewebt werden. So begleiten wir O-Ei durch die geschäftigen Straßen gesäumt von Bordellen, Kabukitheatern und Teehäusern, tauchen in das bunte Treiben ein und begegnen Bauern, Händlern und Samurais. Auch Drachen, Geister und Dämonen, von denen Hokusai angeblich in seinen Träumen gequält wurde, werden mystisch und fantasievoll in Szene gesetzt – zum Beispiel in Form von Totenköpfen, die von einem Magnolienbaum purzeln.
In dem Film geht es vor allem um den schöpferischen Akt und die Magie der Kunst, die Art und Weise wie man sich ihr nähert und mit welcher Wucht sie einen treffen kann, so willkürlich und launenhaft wie der Wechsel der Jahreszeiten, der hier ebenfalls zelebriert wird. Das zeigt sich besonders in O-Eis liebevollem Umgang mit ihrer kleinen blinden Schwester O-Nan. Mal lässt sie O-Nan das Wasser eines Flusses auf der Haut spüren, mal im Schnee herumtollen oder die Zeichnung ihres Vaters befühlen. Es ist ein Film voller kräftiger Farben, zarter Linien, Licht- und Schattenspielen, den man wie ein Gemälde mit Bewunderung betrachten und lange auf sich wirken lassen kann. Eine schöne Einstimmung auf den Japan-Tag am kommenden Sonntag im Englischen Garten.