Schöne neue Arbeitswelt

Eine Anstellung auf Lebenszeit war in Japan bis vor nicht allzu langer Zeit gang und gäbe. Davon kann die namenlose Ich-Erzählerin in dem Roman „Temporary “ („Die Hauptsache“) nur träumen. Sie wird von einer New Yorker Zeitarbeitsfirma von einer Aushilfssstelle zur nächsten gereicht.
Mal soll sie Türen in einem leeren Haus öffnen und schließen, mal die Vertretung auf einem Piratenschiff übernehmen, mal einem Killer assistieren. So breit wie das Spektrum absurder Jobs ist auch ihr Ensemble von männlichen Partnern. Sie hat einen Freund für jede Lebenslage, darunter den Immobilienfreund, den ehrlichsten Freund, den größten Freund, den Lieblingsfreund. Die Geschichte wäre höchst vergnüglich zu lesen, wäre alles nur reine Fiktion. Leider spiegelt sie immer mehr die Realität, in der Arbeitskräfte zunehmend befristet und zweckorientiert eingesetzt werden.
Hilary Leichter schreibt nicht nur klug, zynisch und pointenreich, sondern sprüht in ihren sprachlichen Formulierungen und Metaphern nur so vor Ideen. An manchen Stellen lässt sie die wahren Gefühle der Protagonistin, ihre Verletzungen, Demütigungen und die Sehnsucht nach Beständigkeit durchscheinen und regt zum Nachdenken an, was eine schnelllebige und profitorientierte Arbeitswelt mit uns Menschen und unserer Identität macht.