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Stories & Design

Drei Frauenschicksale in Irland

2025-04-23
Ardglass
Drei Frauenschicksale in Irland

Izzy, Colette und Dolores – das sind die Hauptakteurinnen des Romans „Coast Road“ von Alan Murrin, der 1994 in der irischen Küstenstadt Ardglass spielt. Ihre Wege kreuzen sich, als die Dichterin Colette, die ihre Familie verlassen hatte, zurückkehrt und in ein kleines Cottage an der Coast Road zieht. Es gehört Dolores, die von ihrem gewalttätigen Ehemann erneut schwanger ist. Colette möchte ihre Kinder sehen, doch ihr Ehemann verbietet es ihr. Unterstützung bekommt sie von der Hausfrau und Mutter Izzy, die von der Bohemienne fasziniert ist. 

So unterschiedlich ihre Charaktere und Lebenssituationen auch sind, eines haben die drei Frauen gemeinsam: Sie sind unglücklich in ihrer Ehe und suchen vergeblich einen Ausweg, denn Scheidungen werden erst ein Jahr später legalisiert. Zwischendurch packte mich schon mal die Wut angesichts der arroganten und selbstherrlichen Männer, die meinen, sich alles rausnehmen zu können. Dass aber vor allem die Kinder die Leidtragenden sind, vermittelt die Autorin sehr ergreifend. Eine Frau wie Colette, die selbstbestimmt lebt, hat einen hohen Preis zu zahlen. Mich hat erstaunt, dass dieser mit viel Empathie geschriebene Roman über das eingeschränkte Leben von irischen Frauen in den 1990er Jahren von einem Mann stammt.

 
Selbstfindung, Familie

Frohe Ostern!

2025-04-20
München
Frohe Ostern!

Wir hatten überlegt, diese Woche Richtung Italien oder Schweiz zu fahren und die Räder mitzunehmen, aber zum Glück haben wir uns wegen der Osterferien dagegen entschieden. Während wir hier endlich den Frühling einläuten können, wüten in unseren Nachbarländern schwere Unwetter. Ich hoffe für alle Betroffenen, dass sich die Lage möglichst schnell entspannt.

Auch wenn ich nach unserem tollen Städtetrip wieder in Reiselaune bin, tut es auch gut, ohne Termine in den Tag hineinzuleben und nach Lust und Laune zu lesen, zu zeichnen, sich mit Freunden zu treffen oder nach langer Zeit mal wieder eine Zumba Special Stunde zu machen. Und die nächste Reise zu planen…

In diesem Sinne wünsche ich Euch schöne Osterfeiertage! Genießt die Zeit, was immer Ihr Euch vorgenommen habt.

Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

2025-04-16
Missouri
Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Der Roman „Die November-Schwestern“ von Josephine W. Johnson spielt in den USA der 1930er Jahre, mitten in der Weltwirtschaftskrise. Er handelt von den drei Haldmarne-Schwestern und ihren Eltern, die auf einer Farm Jahr für Jahr ums Überleben kämpfen. Die Hypothek lastet schwer auf ihnen, eine Besserung der Lage ist trotz harter Arbeit nicht in Sicht.

Erzählt wird aus der Perspektive der mittleren Schwester Margret, die mit den schweren Lebensbedingungen, aber auch mit Sinnfragen und den verwirrenden Gefühlen einer Heranwachsenden allein fertigwerden muss. Wie sie sich einerseits bemüht, es ihrem launischen Vater recht zu machen, andererseits mit ihm fühlt, weil sie sich mit ihren Schwestern wie eine Last vorkommt, machte mich betroffen.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ ist fast zu einer abgedroschenen Floskel geworden, doch in diesem Roman fasst sie tragischerweise das Leben der Protagonisten in einem Satz zusammen. Die Hoffnung, dass es diesmal anders wird, wird auch geschürt, als der Vater den Arbeiter Grant einstellt. Er bringt tatsächlich eine Veränderung, doch ganz anders als erwartet.

Auf allen Ebenen ist ein Mangel zu spüren, an Geld, Nahrung, Regen, gegenseitiger Zuneigung. Sprachlich schöpft die Autorin jedoch aus dem Vollen. Die wenigen schönen Momente, die Margret mit ihrer jüngeren Schwester Merle in der Natur erlebt, beschreibt sie so bildhaft, dass sie einen funkelnden Kontrast zum harten Alltag bilden. Verständlich, dass Josephine W. Johnson 1935 für dieses Werk den Pulitzer-Preis erhielt.

 
Familie

Tiefe Abgründe im Paradies

2025-04-12
Koh Samui
Tiefe Abgründe im Paradies

Es ist wieder so weit: Das Luxus-Resort White Lotus empfängt in der dritten Staffel der gleichnamigen Serie die Superreichen, diesmal in Thailand. Da ist zum einen die fünfköpfige Familie Ratliff. Als der Vater und Investment-Banker Timothy von der Presse behelligt wird, die mehr über seine Deals erfahren will, ist es vorbei mit der Erholung. Die berühmte Fernsehschauspielerin Jaclyn hat ihre zwei Freundinnen zu einem Girls-Trip eingeladen. Solange sie zu dritt sind, beweihräuchern sie sich gegenseitig, wie toll sich seit ihrer Jugend gehalten haben, doch kaum verlässt eine den Raum, beginnen die Lästereien. Da fragt man sich schon, wie es um die Freundschaft bestellt ist. Wer am wenigsten in das Setting passt, ist wohl Rick mit seiner dubiosen Vergangenheit und seinem dauerhaft schmerzerfüllten Blick. Selbst seine gut aufgelegte und empathische Freundin Chelsea kann ihn nicht aufheitern – schließlich ist er nicht zum Vergnügen da, sondern hat eine alte Rechnung zu begleichen.

Die Serie bleibt ihrem Konzept treu. Vor der paradiesischen Kulisse tun sich wahre Abgründe auf. Die Handlung wird immer wieder unterbrochen durch Nahaufnahmen von Affen, lebendig und als Statuen, die gleichgültig das Geschehen verfolgen und sich offensichtlich ihren Teil denken.

Im Vergleich zu den vergangenen zwei Staffeln fand ich diese dramaturgisch am schwächsten. Besonders im mittleren Teil wartet man vergeblich auf eine Wende. Stattdessen werden exzessive Orgien gefeiert, Drogen und Tabletten konsumiert und die Eskalation in die Länge gezogen. Der hervorragende Cast, angeführt von Parker Posey, die Timothys verwöhnte Ehefrau spielt, Cary Coon und Aimee Lou Wood, und die einzigartige Kameraführung machen manche Schwächen jedoch wett. Auch das Thema Religion und Spiritualität, das diesmal im Fokus steht, fand ich gut umgesetzt. Der Showdown am Ende ist stimmig und versöhnte mich wieder mit dieser Staffel.

 
Selbstfindung

Eine visionäre Kinderärztin

2025-04-09
Wien
Eine visionäre Kinderärztin

Die Romanbiografie „Die Pädagogin der glücklichen Kinder“ von Laura Baldini ist in den 1930er Jahren in Wien angesiedelt – eine aufregende Zeit, in der die Stadt zum Magnet für Wissenschaftler und Künstler wurde und neue Erkenntnisse die Medizin und Psychologie revolutionierten. 

Auch Emmi Pikler, die Kinderärztin werden will, zieht es dorthin, weil sie als Jüdin nicht in Budapest Medizin studieren kann. In Wien wohnt sie bei ihrer Tante und beschäftigt sich während ihres Studiums und der Facharztausbildung immer intensiver mit der freien Bewegungsentwicklung von Kindern. 

Das Erzähltempo war für mich genau richtig. Es gibt immer wieder kleine Zeitsprünge, so dass man in gestraffter Form die wichtigen Stationen in ihrer Ausbildung, im Beruf und Privatleben miterlebt. Mit welcher Leidenschaft und Überzeugung Emmi Pikler die neuen Wege der natürlichen, kindgerechten Entwicklung verfolgt und ihre Ideen tatkräftig umsetzt, hat mich sehr beeindruckt – und das alles trotz eines schweren Schicksalsschlags, Kritik und Spott von Gegnern und Lebensgefahr durch die Machtergreifung der Nazis. Nachdem ich schon einiges über das Montessori-Konzept gelesen habe, war es für mich umso interessanter, eine weitere bedeutende Pädagogin in diesem lehrreichen und kurzweiligen Roman kennenzulernen. 

 
Biografie

Mutter und Tochter begegnen sich neu

2025-04-05
Husum
Mutter und Tochter begegnen sich neu

Der Schauplatz spielt in den Romanen von Kristine Bilkau eine wichtige Rolle, so auch diesmal, wie der Titel “Halbinsel“ verrät. Die 25-jährige Linn, die für ein Aufforstungsprojekt arbeitet, bricht bei einem Vortrag auf einer Umwelttagung zusammen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie eine Weile bei ihrer Mutter Annett auf einer Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer verbringt, um wieder auf die Beine zu kommen. Problematisch wird es erst, als Linn jeglichen Antrieb verliert und sich dauerhaft bei ihr einnistet. Annett erkennt ihre Tochter, die voller Tatendrang und Idealismus in die Welt gezogen ist, nicht wieder.

Die Autorin hat ein sehr passendes Setting gewählt, um die Komplexität einer Mutter-Tochter-Beziehung in all ihren Facetten einzufangen. Erzählt wird aus der Perspektive der Mutter, doch ich konnte mich in beide Generationen hineinfühlen: auf der einen Seite Annett, die versucht hat, ihre Tochter bestmöglich für die Welt auszurüsten, aber auch zu beschützen, voller Fürsorge und Hoffnung; auf der anderen Seite Linn, die angesichts des Betrugs am Klimaschutz und permanenten Leistungsdrucks in eine Sinnkrise fällt. Beide haben den plötzlichen Tod des Vaters noch nicht verarbeitet. Wie die beiden während eines Sommers sich und ihre Heimat neu kennenlernen, erzählt Kristine Bilkau wie schon in ihren vergangenen Romanen subtil und eindringlich. Es freut mich, dass sie für ihren hervorragenden Roman den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten hat.

 
Selbstfindung, Familie

Frauen schreiben Kunstgeschichte

2025-04-01
Paris
Frauen schreiben Kunstgeschichte

Ist von berühmten Impressionisten die Rede, fallen meistens Namen wie Claude Monet oder Auguste Renoir, aber selten Berthe Morissot oder Mary Cassatt. Dabei zählten beide neben Marie Braquemond zu den „Trois Grandes Dames“ dieser Stilrichtung und waren erfolgreiche und gefeierte Malerinnen ihrer Zeit.

Diesen und vielen anderen Künstlerinnen widmet sich Susanne Radelhof in der MDR/arte-Dokumentation „Lost Women Art“. Während ich die zuvor genannten Impressionistinnen sehr schätze, lernte ich im Laufe der Doku viele neue Namen, von denen ich noch nie gehört habe: zum Beispiel Julie Wofthorn, die nach ihrer Ausbildung in Berlin nach Paris zog und stark von der französischen Plakatkunst beeinflusst wurde. Sie etablierte sich als Porträtmalerin, ist in vielen Vereinigungen aktiv und setzt sich für Frauenrechte ein.

Sehr beeindruckt hat mich die russische Avantgarde-Künstlerin Natalja Gontscharowa. 1913 präsentierte die 32-Jährige 761 Werke und wurde auf einen Schlag erfolgreich. Ihre provokanten Kunstwerke werden mal von der Polizei beschlagnahmt, mal müssen sie vor Gericht verteidigt werden. 

Im zweiten Teil des Films werden unter anderem Surrealistinnen wie Leonora Carrington, die Pionierin der abstrakten Malerei Hilma af Klimt und Charlotte Salomon mit ihrem Lebenswerk „Leben oder Theater“ in Erinnerung gerufen. Der Film ist bis 7.9.2025 in der ARD-Mediathek zu sehen.

 
Kunst, Selbstfindung, Zeitreise