Bekenntnisse einer überzeugten Wiederholungsleserin

Im Prolog ihres Buches „Offene Fragen“ spricht mir Vivian Gornick aus der Seele. Sie fühlt sich so, als sei sie „lesend auf die Welt gekommen“ und sieht in Büchern unverzichtbare Lebensbegleiter. Die Romane, die sie nachhaltig geprägt haben, decken sich allerdings nicht mit meinen; zugegebenermaßen habe ich viele von den genannten Titeln noch nicht gelesen wie „La Vagabonde“ von Colette oder „In der Hitze des Tages“von Elizabeth Bowen und werde dies sicher nachholen.
Die feministische Schriftstellerin, die sich durch Essays für die New York Times, Village Voice etc. und zahlreiche Sachbücher einen Namen gemacht hat, legt uns vor allem ans Herz, Bücher mehrmals zu lesen und verrät auch warum. So hat sie sich bei der Lektüre von „Söhne und Liebhaber“ von D.H. Lawrence je nach ihrer Lebensphase jedes Mal mit einer anderen Figur identifiziert. Durch ihre Betrachtungen von bestimmten Charakteren und ihrem Verhalten im gesellschaftlichen Kontext bringt sie uns ihre eigenen Gefühle, Selbsterkenntnisse und wie sich diese mit der Zeit gewandelt haben näher.
Manche Charakterstudien waren mir etwas zu detailliert, die Zitate aus Romanen zu zahlreich. Ihre komplexe Sprache brachte auch meinen Lesefluss öfters ins Stocken. Trotzdem war es eine interessante Erfahrung, eine bedeutende Essayistin, die ich noch nicht kannte, und den Zeitgeist anhand ihrer literarischen Abenteuer und Vorbilder kennenzulernen.