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Gefangen im Kokon

2023-08-09
Tokio
Gefangen im Kokon

Ich lese gern Geschichten über Außenseiterinnen wie „Die Ladenhüterin“ von Sayaka Murata, noch dazu wenn sie in Japan spielen. In dem Roman „All die Liebenden der Nacht“ von Mieko Kawakami fiel es mir jedoch schwer, Zugang zu der Hauptfigur zu finden. Die 34-jährige Fuyuko meidet soziale Kontakte, führt ein einsames Leben und geht nur in ihrem Beruf auf. Als sie eines Tages beschließt, ihren Kokon zu verlassen und ihr Leben zu verändern, hatte sie noch meine volle Unterstützung, doch leider greift sie zur Flasche und trinkt sich Mut an. 

Einen Absturz nach dem anderen mitzuerleben fand ich auf die Dauer deprimierend. Was mir dagegen gefiel, waren ihre Beobachtungen und Gedanken auf ihren nächtlichen Spaziergängen durch Tokio. Als Korrekturleserin hat sie genau den passenden Beruf: Sie muss Distanz zu den Texten wahren, überträgt dies aber auch auf ihr Privatleben und lässt nur zwei Menschen an sich heran: ihre Auftraggeberin Hijiri und ihre Zufallsbekanntschaft Mitsutsuka, zu dem sie sich hingezogen fühlt. Hijiri ist lebenshungrig, oberflächlich und das krasse Gegenteil von Fuyuko während Mitsutsuka sich sehr zurückhaltend verhält. Auch hier war mir manches zu überzogen: Hijiris übertriebenes Selbstbewusstsein und ihre Monologe im Kontrast zu Fuyukos Unsicherheit und Einsilbigkeit in jeglichen Gesprächen. Der Roman spiegelt den Druck auf Frauen in der japanischen Gesellschaft wider und zeigt eine Protagonistin, die sich zaghaft öffnet, doch er war nicht ganz mein Fall.