Es begann in einem Wald
Die für mich stärkste Szene im Roman “Die trotzige Schönheit der Welt” von Linda Grant spielt sich gleich am Anfang ab. Mina Mendel, die im lettischen Riga aufwächst, geht in den Wald, um Pilze zu sammeln und trifft dort auf junge Bolschewiken. Diese Begegnung bringt nicht nur das Geschehen ins Rollen, sondern verändert das Leben der 14-Jährigen grundlegend. Sie spürt zum ersten Mal den Geschmack von Freiheit und die Möglichkeiten, die die Welt ihr bietet. Ihre jüdische Familie zieht aus ganz anderen Gründen Konsequenzen, so dass Mina schon bald mit ihrem Bruder Jossel Richtung Amerika aufbricht.
Nicht ohne Grund lautet der Originaltitel “The Story of the Forest”. Das Ereignis im Wald wird im Laufe der Handlung immer wieder aufgegriffen, wird als Legende von einer Generation zur nächsten weitererzählt. Und durch noch mehr wundersame Zufälle entstehen weitere Legenden in der Familiengeschichte. Dabei stellen sich die Protagonisten wie Mina, die in Liverpool hängenbleibt, und ihre Tochter Paula immer wieder die Frage, ob sich ihre Erwartungen an das Leben erfüllt haben. Nach dieser fesselnden Lektüre kann ich mir das Schicksal vieler jüdischer Emigranten sehr gut vorstellen.