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Unverhoffte Bäckerkarriere

2014-10-11
Paris
Unverhoffte Bäckerkarriere

Eine Portion Mut gehört schon dazu, um sein Leben komplett umzukrempeln – so wie es "Paulette" tut im gleichnamigen Film von Jérôme Enrico. Die ältere Witwe lebt im Pariser Vorort, sitzt auf einem Berg voller Schulden und streitet sich auf dem Markt mit Leidensgenossen um eine Stange Lauch aus dem Abfall. Die Schuld an ihrem Elend gibt sie den Ausländern. Die einst erfolgreiche Konditorei, die sie mit ihrem Mann führte, musste schließen. Dass ihr Schwiegersohn und ihr Enkel dunkelhäutig sind, macht die Sache nur noch schlimmer. 

Zufällig beobachtet sie Jugendliche aus der Nachbarschaft, die Haschisch verkaufen. Paulette sieht endlich einen Weg, ihrer Armut zu entkommen und heuert bei einem Drogenboss an. Durch ihren ausgeprägten Geschäftssinn entwickelt sie sich schnell zu einer erfolgreichen Dealerin.

Auch wenn die Handlung teilweise vorhersehbar ist, macht es großen Spaß, Paulette bei ihrer Wandlung zu beobachten: von einer gehässigen, griesgrämigen Frau zur tüchtigen, einfallsreichen Geschäftsfrau und zugleich warmherzigen Person, die sogar ihren Enkel ins Herz schließt. Ihre sarkastischen Sprüche und die gelungenen Nebenfiguren bringen viel Humor in die ernste Thematik. 

Mindestens genauso interessant wie die Komödie ist ein Blick hinter die Kulissen. Das Drehbuch entstand in einem Schreibworkshop an einer Filmhochschule und beruht auf einer Zeitungsmeldung über eine 80-Jährige Frau, die im Pariser Banlieue tatsächlich dealte. Es gab Bedenken, mit hochwertigem Filmequipment in dem schwierigen Milieu aufzuschlagen und einen Film zu drehen, doch das Team wurde vor Ort gut aufgenommen. Mehrere Jugendliche, die dort in Cliquen abhängen, wurden gleich eingebunden und durften als Darsteller oder bei der Regie mitwirken – also ein rundum gelungenes Filmprojekt, das viele brisante Themen wie Altersarmut, Jugendkriminalität und Rassismus in eine unterhaltsame schwarze Komödie verpackt.