Zwischen Entsetzen und Bewunderung

Jeannette Walls, eine erfolgreiche Journalistin in New York, ist auf dem Weg zu einer Party. Aus dem Taxi beobachtet sie eine in Lumpen gekleidete ältere Frau, die einen Mülleimer durchwühlt. Es ist ihre Mutter.
Spannender kann eine Familiengeschichte wohl kaum beginnen. In dem Roman „Glass Castle“ schildert Jeannette Walls ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen, die jedes Vorstellungsvermögen sprengen.
Ich erlebte ein ständiges Wechselbad der Gefühle: mal war ich entsetzt, was die Eltern ihren Kindern in ihrer Existenznot zumuten, dann wieder faziniert, wie sich die Familie mit viel Liebe und Einfallsreichtum durch das Leben schlägt. Die Pappkartons, die sich in unserer neuen Wohnung türmen, erinnerten mich an eine schockierende Szene im Buch: was für unsereiner lästiges Verpackungsmaterial zum Entsorgen ist, diente den Kindern als Schlafstätte!
Am meisten faszinierte mich, wie es der Familie Walls gelang, ein Leben völlig außerhalb gesellschaftlicher Konventionen zu führen. Es ist eine Geschichte, die sehr bewegt und die eigenen Alltagssorgen nichtig erscheinen lässt.