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Rettet Edie

2015-04-07
Chicago
Rettet Edie

Die Fastenzeit ist vorbei und man kann sich guten Gewissens wieder auf seine Essvorräte stürzen. Ziemlich hemmungslos tut dies Edie Middlestein in dem Roman "Die Middlesteins". Jami Attenberg beschreibt in ihrem amerikanischen Bestseller eine jüdische Familie, die in einem Vorort von Chicago lebt und durch die Ess-Sucht der Mutter auf eine harte Probe gestellt wird. 

Zu Beginn der Geschichte ist Edie noch ein Kind und wiegt 28 kg. 240 Seiten später bringt sie stolze 150 kg auf die Waage. Welche Schichten von Erlebnissen und Wunden sie sich in dieser Zeit angefuttert hat, erfahren wir aus der Sicht der verschiedenen Familienmitglieder. Ehemann Richard zum Beispiel kommt mit Edies Obsession und Launen nicht mehr klar und verlässt sie nach vierzig Jahren Ehe, um ein neues Leben anzufangen. Tochter Robin, Sohn Benny und seine Frau Rachelle dagegen bemühen sich, Edie zu retten und die Familie zusammenzuhalten.

Trotz aberwitziger Versuche wie die Bewachung des Kühlschranks durch die Zwillingsenkel oder die Recherche von Fitnesstrainern isst Edie unaufhaltsam weiter. Welche Bedeutung das Essen für sie hat, wird in einer Szene besonders deutlich: Sie vergleicht die eingekauften Lebensmittel, die sie auf dem Esstisch abgelegt hat, mit guten Freunden, die auf einen netten und geselligen Kaffeeklatsch mit ihr warten. Erschwerend hinzu kommt, dass ihr neuer Liebhaber ein begnadeter Koch ist und ihr ständig köstliche Gerichte zubereitet. So bleibt Edies Ess-Sucht nicht ohne Folgen. Sie erkrankt an Diabetes, leidet unter einer Herzschwäche und ist drauf und dran, sich zu Tode zu essen.

Wie Jamie Attenberg die Familie als Mikrokosmos beschreibt, ist warmherzig, witzig und besticht durch psychologischen Tiefgang.

 
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