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Tango und Cash

2015-05-19
Basel
Tango und Cash

So hieß doch mal eine amerikanische Actionkomödie aus den 80er Jahren. Der Titel würde auch gut zu der Erzählung "Fast ein bisschen Frühling" von Alex Capus passen, die ich zufällig entdeckt und in einem Rutsch gelesen habe. 

Im Mittelpunkt stehen nicht zwei Polizisten aus L.A., sondern zwei deutsche Ingenieure aus Wuppertal. Kurt Sandweg und Waldemar Velte besuchen im Jahr 1934 in Basel jeden Mittag die Schallplattenverkäuferin Dorly Schupp im Kaufhaus Globus, kaufen eine Tango-Platte, die sie nachmittags auf ihrem Zimmer rauf und runter hören, nehmen in ihrem Stammlokal beim Basler Centralbahnhof ein Abendessen ein und gehen abends mit Dorly und ihrer Freundin Marie Stifter am Rhein spazieren. Ein ganz und gar nicht ungewöhnlicher Alltag zweier junger Burschen, hätten sie nicht zuvor zwei Banken ausgeraubt und mehrere Menschen erschossen. 

Die Hauptfiguren dieses Kurzromans, der auf einer wahren Begebenheit beruht, sind schon ein seltsames äGespann. Seit ihrer Kindheit schütteln sich Kurt und Waldemar jeden Tag zur Begrüßung die Hand, tragen Knickerbockers und teure Tweedmäntel. Ihren ersten Bankraub verüben sie am 8. November 1933 in Stuttgart, um dem Nazideutschland den Rücken zu kehren und in Indien ein neues Leben zu anzufangen. Als dabei der Kassierer stirbt, sind sie wie Bonnie und Clyde ständig auf der Flucht. Mit den erbeuteten 1.250 Reichsmark kommen sie allerdings nicht wie erhofft nach Indien, sondern gerade mal nach Paris.

Ihre Erlebnisse lesen sich teilweise wie Zeitungsmeldungen, dann wieder wie ein Reisebericht der etwas anderen Art. Von "den surrealistischen Ausstellungen, mageren Mädchen, Boxkämpfen und der Wichtigtuerei" der französischen Hauptstadt haben die beiden schnell die Nase voll. Ihr Urteil über Marseille fällt nicht minder hart aus: die "Operettenlandschaft", die Palmen, Rebbergen, Luxushotels und Wildpferde seien genau so, wie sich deutsche Pensionisten Südfrankreich vorstellten. 

Man wird nicht ganz schlau aus den zwei Charakteren: die Frohnatur Kurt und der grüblerische Waldemar, beide einerseits charmant, verträumt und nostalgisch, andererseits kaltblütig und gefährlich, wenn sie ihre Verbrechen begehen, die sie als akiven Widerstand gegen die Nationalsozialisten sehen. Ihr Schicksal ist nicht tragischer als das von Marie Stifter, der Großmutter der Erzählerin, die ihr Leben lang unter einer arrangierten unglücklichen Ehe mit dem Sohn einer gleichrangigen Familie leiden muss.