Eine Köchin reist durch die Weltpolitik

Überwältigt von den vielen Eindrücken kehrte ich letzten Samstag Abend von einer Welt- und Zeitreise durch ein Jahrhundert zurück. Mit von der Partie waren Rose, Hauptfigur in dem Roman "Ein Diktator zum Dessert" von Franz-Olivier Giesbert, und ihr Salamander und beste Freundin Theo.
Rose, die mit 105 Jahren ihre Memoiren verfasst, wäre gern zu einer anderen Zeit auf die Welt gekommen. Doch es ist das "Jahrhundert der Mörder". Als Armenierin erlebt sie den Völkermord durch die Türken und verliert dabei ihre Familie. Als Lustsklavin gelangt sie nach Marseille und wechselt dort ihren "Job" zur Mülltonnenplünderin. Erst als sie von einer Bauernfamilie in der Provence aufgenommen wird, findet sie zum ersten Mal so etwas wie ein wohlbehütetes Zuhause und ihre große Liebe. Doch das Glück währt nicht lang. Der plötzliche Tod der Adoptiveltern und eine Hetzjagd auf ihren Geliebten Gabriel, der für einen Juden gehalten wird, zwingt das Paar, zu dessen Onkel nach Paris zu flüchten.
Schon an dieser Stelle meint man, Rose habe mit ihren 18 Jahren so viel erlebt, wie andere nicht mal im ganzen Leben. Doch ihre turbulente Reise durch Länder und die Weltpolitik geht in einem rasanten Tempo weiter. In Paris eröffnet sie ihr Restaurant "La Petite Provence" und bekocht Himmler, Sartre und Beauvoir. Nach den Stationen New York, Chicago, Berlin, Gmund und Peking, wo sie mit der maoistischen Politik konfrontiert wird, kehrt sie in ihre Wahlheimat Marseille zurück.
Rose ist eine Figur, die einem immer stärker ans Herz wächst. Zugegeben, ihre moralischen Prinzipien sind fragwürdig, wenn sie sich für jeden Verlust, den sie erleidet, persönlich rächt, um ihren Seelenfrieden wiederzufinden. Andererseits kennt ihre Opferbereitschaft und Selbsterniedrigung keine Grenzen, wenn es um ihre geliebten Menschen geht. Bewundernswert ist, wie die nicht enden wollenden Schicksalsschläge ihrer Lebensfreude nichts anhaben können. Das Trendwort "Resilienz" erfährt hier eine völlig neue Dimension.
Ich finde, der deutsche Titel ist unglücklich gewählt. Der Originaltitel "La cuisinière d'Himmler" (Die Köchin von Himmler) trifft es besser. Ansonsten hat der Roman in jeder Hinsicht meinen Geschmack getroffen, was wohl an den gelungenen Zutaten liegt: eine originelle Story, eine gut gezeichnete Protagonistin mit Zügen einer Antiheldin, politisches Hintergrundwissen, spannende Schauplätze und faszinierende Fabulierkunst. Vielleicht werde ich eines von Roses Rezepten nachkochen, die im Buch enthalten sind, um den Lesegenuss bald wieder zu beleben.