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Gier und Rachedurst

2015-06-16
New York
Gier und Rachedurst

In ihrer Studienzeit sind sie enge Freunde: Samuel, seine Freundin Nina und Samir, die Protagonisten in dem Roman "Die Gierigen" von Karine Tuil. Doch dann verliebt sich Samir in Nina, hat eine Affäre mit ihr und die Tragödie beginnt. Dass Nina bei ihrem Freund Samuel bleibt, kann Samir kaum verkraften. Seine Enttäuschung und Aggression steckt er voll und ganz in seine Karriere und arbeitet sich zu einem hochgehandelten Anwalt in New York hoch.

Ich hatte zunächst Schwierigkeiten, in die Geschichte reinzukommen, zumal ich mich nach langer Zeit wagte, mal wieder einen Roman im französischen Original zu lesen. Richtig spannend wurde es, als nach 20 Jahren Samuel und Nina mit Entsetzen ein Porträt von Samir in der New Yorker Times lesen und feststellen, dass er Teile aus Samuels jüdischer Biografie geklaut hat. Ihr Wiedersehen in einem Hotel wird so eindringlich und dramatisch beschrieben, dass man meint, das ganze Gefühlsspektrum der Figuren, von Neid, Ablehnung, Hass bis hin zur Begierde am eigenen Leib zu spüren. Dabei bietet keiner von ihnen so richtiges Identifikationspotenzial. Wie lange kann Sam, der seine wahre Identität verleugnet und vom Hass auf die soziale Ungerechtigkeit angetrieben wird, so weitermachen? Ist Samuel der Sieger, weil er dem System trotzt und die gesellschaftlichen Regeln nicht mitmacht oder ein Loser, weil er als Schiftsteller noch kein einziges Buch veröffentlich hat?

Man hat den Eindruck, dass Karine Tuil viel Herzblut in die Geschichte gesteckt hat. In ihren Beschreibungen häuft sie oft Adjektive an, so als ob sie das richtige Wort suche oder als ob sie die Sätze verdichten wollte. Ein sprachgewaltiger Roman über Diskriminierung, Lüge, Freiheit, Liebe und Erfolg.

 
Schreiben, Selbstfindung