Leser wollen Schokotorten

An manchen Tagen fließen die Sätze nur so aus der Feder, an anderen doktert man ewig an einer Passage herum. In der vergangenen Woche erlebte ich eher Letzteres. Dabei mangelte es mir nicht an Ideen, um dem Roman die Form zu geben, die ich mir vorstellte.
Zunächst war ich fest entschlossen, einzelnen Ereignissen und Figuren mehr Tiefe zu geben. Ich nahm mehrere Szenen näher unter die Lupe, versuchte hinter die Fassaden zu blicken, tiefer in das Geschehen einzudringen und die Gefühle der Charaktere detaillierter offenzulegen.
Dann wieder verfolgte ich einen anderen Ansatz. Ich konzentrierte mich weniger auf die Handlung und mehr auf die Figuren, beschloss, mich von ihnen treiben zu lassen, mich mit ihnen durch die Geschichte zu bewegen. Wenn ich sie gut genug charakterisiert hatte, müsste sich doch der Rest fast von allein ergeben. Die Figuren taten das, was sie aufgrund ihrer Vergangenheit und ihres Naturells tun mussten, ritten sich selbst in allerlei Konflikte und stellten sich den Konsequenzen.
All das, was in der Theorie logisch und vollkommen nachvollziehbar erscheint, entpuppt sich in Wirklichkeit als harte Arbeit. Im Rückblick stelle ich fest, dass ich die meiste Freude an der Planung hatte: ein Konzept zu entwerfen, ein Gerüst aufzubauen und die Szenenfolge und Dramaturgie zu planen. Dieses Gerippe mit herzhaftem, saftigem Fleisch zu versehen, etwas Schmackhaftes und Genussvolles daraus zu machen – damit beginnt die extrem anstrengende Arbeit eines Schriftstellers. Leser wollen kein gesundes Knäckebrot, sie wollen cremige kalorienreiche Schokotorten. Glückt einem ein rundes Kapitel oder eine gelungene Formulierung, wird man immerhin mit einem unvergleichlichen Glücksgefühl belohnt. Ich hoffe, ich erlebe in den kommenden Wochen mehr davon.