Nüchtern bis zur Erleuchtung

Die Erzählung "Zwei Herren am Strand" von Michael Köhlmeier hat mich überrascht. Sie handelt von Winston Churchill und Charlie Chaplin und dennoch spielen Weltpolitik und Filmkunst eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es um ihre enge Freundschaft und das, was sie am stärksten verbindet: der Versuch, ihre Depressionen zu bekämpfen.
Sie lernen sich auf einer Dinnerparty in Santa Monica im Jahr 1927 kennen und stellen fest, dass sie trotz unterschiedlicher Herkunft und Weltanschauungen Seelenverwandte sind. Beide werden regelmäßig von Ängsten und Schwermut – vom „schwarzen Hund“ – befallen und sinnieren über verschiedene Techniken des Selbstmords. Künftig wollen sie sich jedoch gegenseitig beistehen und „nüchtern bis zur Erleuchtung“ dem Weltschmerz entgegentreten – jeder auf seine eigene Art: Churchill widmet sich der Malerei während Chaplin die „Methode des Clowns“ empfiehlt, bei der man sich selbst lächerlich macht, damit ein Teil des Ichs über den anderen lachen kann.
Nebenbei werden biographische Momentaufnahmen und Anekdoten über ihre Zeitgenossen eingestreut. Zum Ende hin rücken die politischen Weltlage und ihr vereinter Kampf gegen Hitler stärker in den Fokus.
Bei Hörspielen stört mich oft, dass die Stimme zu aufdringlich ist und von der Handlung ablenkt, was hier jedoch glücklicherweise nicht zutrifft. Michael Köhlmeier präsentiert mit seiner zurückhaltenden und ruhigen Stimme auf sehr angenehme Art die geistreiche und zugleich melancholische Erzählung.