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Nicht irgendeine Sojasoße

2016-02-09
Singapur
Nicht irgendeine Sojasoße

Obwohl die Sojasoße in der japanischen Küche unverzichtbar ist, habe ich ihr bisher nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt. Das hat sich nach der Lektüre von „Sojasoße für Anfänger“ ein wenig geändert. In dem Roman von Kirstin Chen wird man darauf aufmerksam gemacht, wie viele Geschmacksnuancen das Gewürz haben kann: von herb, flach, metallisch über erdig, blumig, süß bis hin zu fruchtig und prickelnd – fast so komplex wie ein guter Wein. 

Die Geschichte spielt teils in Singapur, wo sich das Familienunternehmen „Lin’s Sojasoße“ befindet, teils in San Francisco, wo Lins Enkelin Gretchen lebt. Lin ist überzeugt, dass das Gewürz Ketchup und Senf verdrängen und die Nummer eins der Würzsoßen in Amerika werden wird. Hobbyköche will er dazu bewegen, einfaches Tafelsalz durch Premium-Sojasoße zu ersetzen. Bis zur Gegenwart hat er die Tradition fortgesetzt, mit sämtlichen Mitarbeitern aus der Fabrik und dem Büro ein gemeinsames Mittagessen einzunehmen. Eine Ehekrise führt Gretchen in ihr Elternhaus zurück und weckt zahlreiche Erinnerungen. Der Aufenthalt zwingt sie, sich mit ihrer Familie, deren Probleme und ihrer eigenen privaten und beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen. 

Neben dem Sojasoßen-Handwerk vermittelt Kirstin Chen viel Interessantes über den Schauplatz Singapur, die Sitten und Kultur. Der Clarke Quay am beliebten Singapur River sei eine Gegend voller Restaurants und Bars, der ein wenig steril wirke, obwohl man sich Mühe gab, den historischen Charme zu bewahren. Die blank polierten Mülleimer, die wie Skulpturen wirken, und die von Palmen gesäumten, bunt gestrichenen Lagerhäuser kann man sich dank dem flüssigen und lebendigen Schreibstil der Autorin gut vorstellen. Auch das Fest der hungrigen Geister, bei dem traditionelle chinesische Puppentheaterstücke aufgeführt und üppige Delikatessen bereit gestellt werden, um den Hunger der Geister zu stillen, machen Lust, Singapur einmal live zu erleben.

Ich konnte mich gut mit der Hauptfigur identifizieren, da auch ich die asiatische und westliche Kultur in mir trage. Der Balanceakt zwischen Traditionsbewahrung und Modernisierung wird in diesem Roman sowohl in Bezug auf Singapur als auch auf Einzelschicksale wie Lins Familie als Mikrokosmos sehr einfühlsam, authentisch und unterhaltend beschrieben. Das nächste Mal werde ich die Sushihappen etwas bedächtiger in die Sojasoße tunken und auf den Geschmack achten.

 
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