Eine Schrift reist um die Welt

Als ich Anfang des Jahres in Berlin war, wollte ich gern das Buchstabenmuseum besuchen, doch leider war es geschlossen. Ich musste mich mit dem Museumsshop begnügen, in dem ich zum Trost ein paar Bleistifte kaufte. Dafür fand ich kürzlich beim Surfen ein interessantes Magazin rund um das Thema Typografie. „Schrägstrich“ ist ein Projekt des Studiengangs Buch- und Medienproduktion an der HTWK Leipzig und informiert über aktuelle Themen und Trends in den Bereichen Technik, Schrift und Schriftgestalter. Eine Bildergalerie zeigt außerdem ausgefallene Schriftzüge und Buchstaben auf Schildern, Mauern und sonstige Fundstücke in Leipzig.
„Typografie um die Welt“ lautet das Thema der aktuellen dritten Ausgabe, was mich gleich neugierig machte. Mir war nämlich gar nicht bewusst, dass auch Schriftfamilien auf Reisen gehen können. Die Schrift Vialog zum Beispiel fand ihren beträchtlichen Weg von der Münchner U-Bahn zur Autobahnbeschriftung Japans. Sie wurde von Werner Schneider und Helmut Ness für die Münchner Verkehrsgesellschaft ins Leben gerufen und erfüllte alle wichtigen Kriterien: sie ist platzsparend und kann sowohl in kleinen Schriftgrößen auf Fahrplänen als auch bei großen Darstellungen in Leitsystemen schnell und eindeutig erfasst werden. Wichtig war auch die Unverwechselbarkeit der Zahlen 3, 6, 8 und 9 sowie der Buchstaben i,j und l. Dies war wohl ausschlaggebend dafür, dass die Schrift nach Japan gelangte. Seit 2013 setzt die East Nippon Expressway Company die Vialog für die englische Kennzeichnung als Ergänzung zum japanischen Schriftbild ein, denn sie ist ideal, um die sehr häufigen Buchstaben-Kombinationen j-i-i und i-j-i darzustellen. Mittlerweile wird sie auch als Corporate Font für die spanische Bahn renfe und für den Public Transport in New Jersey (USA) verwendet.
Ein anderer interessanter Bericht in diesem Magazin stammt vom Typografen Raya Abdullah, der über seine Arbeit als Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig berichtet. Die Leipziger Werkstatt ist für ihn ein Ort der interkulturellen Kommunikation. Er veranlasste die Einführung der arabischen Buchstaben, die mittlerweile fester Bestandteil seines Typografieunterrichts sind. Es geht ihm dabei um neue Wege, sich mit den verschiedenen Kulturen durch lateinische und arabische Schriften auseinanderzusetzen. Für die Studierenden, die im Gegensatz zu ihm die Zeichen weder lesen noch deuten können, existieren die Formen als ästhetische Gestalt. Ähnlich würde es ihnen vermutlich mit japanischen Kanji-Zeichen gehen.
Das Magazin kann man als i-Book kostenlos herunterladen. Ich finde das Studienprojekt sehr gelungen und freue mich schon auf die nächste Ausgabe.