YukBook.me

Stories & Design

Selbsterfahrungen in der Ferne

2016-04-28
Cagliari
Selbsterfahrungen in der Ferne

Habt Ihr das auch schon einmal erlebt? Ihr trinkt im Urlaub einen Wein, der Euch so gut schmeckt, dass Ihr eine Flasche mit nach Hause nehmt. Doch in den eigenen vier Wänden findet Ihr ihn gar nicht mehr so besonders. Liegt es am Essen, am Wetter oder am fehlenden Urlaubsflair? Diese Frage stellt sich auch ein Mann in einer Geschichte von Rafik Schami – mit dem kleinen Unterschied, dass er kein Getränk, sondern eine Frau mit nach Hause genommen hat. In Udine war sie noch die Frau seiner Träume – in München erscheint exakt die gleiche Person in einem völlig anderen Licht. Die Magie, die Verspieltheit, die Gelassenheit – alles futsch. 

Um diese und ähnliche Phänomene drehen sich die feinen Kurzgeschichten im ersten Band der Sechs-Sterne-Reihe „Reisen“. Ähnlich wie im zweiten Band „Tiere“, den ich kürzlich vorstellte, sind auch hier wieder sehr interessante Varianten zu einem Thema entstanden – mal im heiteren, traurigen, poesievollen oder auch fantastischen Stil.

Die Neugier, Unternehmungslust und Lebensfreude, die ein Urlaub in uns wecken kann, erleben wir hautnah in einer Erzählung von Franz Hohler, die uns auf eine ganz ungewöhnliche Hochzeitsreise nach Rom mitnimmt. Auch von spannenden Begegnungen, die ja den Reiz einer Reise ausmachen, handeln die Geschichten – zum Beispiel eine, die in Cagliari spielt, und meine Urlaubserinnerungen an die hügelige Stadt mit den engen Gassen und dem imposanten Blick auf den Hafen weckte.

Auch wenn die Figuren ganz unterschiedliche Städte bereisen, so ist ihr wahres Reiseziel oft identisch: nur weg von zu Hause zu sein. Entweder um über sich und seine Zukunft nachzudenken, Abstand von seiner Familie zu haben oder vor dem Schmerz im Alltag zu flüchten. Doch was ist, wenn der Schmerz mitreist? Oder man kehrt zurück, fällt in seine alten Verhaltensmuster zurück und alles ist beim Alten? Die Geschichten zeigen uns, mit welchen Erwartungen Menschen in die Ferne aufbrechen und dass Reisen nach Außen stets einen Blick nach Innen nach sich ziehen.

Sehr herzerwärmend und zeitgemäß fand ich eine Geschichte, die in einem kleinen Dorf in der Pfalz spielt. Sie zeigt, dass man gar nicht weit reisen muss, um in unterschiedlichste Länder und Kulturen einzutauchen. Ist man offen für das Andersartige, beginnt die weite Welt gleich vor der Haustür.

 
Entdecken