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Schuld ist der Wind

2016-04-20
Brač
Schuld ist der Wind

Der neue Roman „Der Wind war es“ von Nataša Dragnić handelt von sechs jungen Menschen aus München, die in ein abgeschiedenes Dorf auf der kroatischen Insel Brač fahren, um ein Theaterstück zu proben. Doch schon bald wird der Ort zum Schauplatz realer Lebensdramen.

Von Anfang an erlebt man den Roman wie ein Kammerspiel. Die Laientheatergruppe nähert sich ihrem Reiseziel und lässt die Leser an ihrer ersten Begegnung mit der wilden Natur und der überwältigenden Landschaft teilhaben. Als sie sich im Gästehaus einrichten, sind ihre Rollen schnell verteilt: Anton ist nicht nur Regisseur des Stücks, sondern mimt auch innerhalb der Gruppe den Leiter und gibt allen zu verstehen, dass sie zum Arbeiten und nicht zum Vergnügen da sind. Für ihn steht am meisten auf dem Spiel, denn das Stück ist für ihn eine Chance, ein Stipendium und eine Stelle am Theater zu bekommen. Barbara, die Nichte der Gastgeberin, neigt dazu, alle zu bemuttern und sich für alles zuständig zu fühlen. Doch da gibt es auch noch einige Figuren, die ihre Rolle in dem Beziehungsgeflecht noch nicht recht gefunden haben: Lisa zum Beispiel, die sich zwischen zwei Männern nicht entscheiden kann, oder Katrin, deren Liebe unerwidert bleibt.

Als ein Fremdling und zwei unerwartete Gäste das Terrain betreten, beginnt das ohnehin labile Gefüge deutlich zu wackeln. Und als dann noch der Südwind Jugo über der Insel tobt, gerät alles aus den Fugen. "Der Wind war es". Treffender könnte der Titel des Romans nicht sein. Tatsächlich übernimmt der Wind für einige Zeit das Zepter, schlüpft förmlich in verschiedenste Rollen und zeigt sich als Feind oder als Verbündeter, als vereinende oder trennende Kraft zwischen den Figuren. 

„Ist dieses Haus wirklich sicher?“ fragen die Künstler voller Sorge. Dabei möchte man vielmehr wissen, ob denn die Menschen voreinander sicher sind. Ihr Verhalten ist auf einmal willkürlich, unerklärlich, als hätte der Wind ihre blanken Gefühle freigelegt und jegliche Hemmschwellen weggefegt. Für meinen Geschmack war es etwas zu viel Gefühlsdrama. Dass sich die Charaktere so schnell zu einem oder gleich mehreren Personen hingezogen fühlen, nur weil sie sich in einem Ausnahmezustand befinden, erschien mir unglaubwürdig. Davon abgesehen bleibt das dynamische Wechselspiel zwischen Naturgewalten und Gefühlsausbrüchen, die zu einem tragischen Unglück führen, bis zum Schluss spannend. Vor allem die Sprache der Autorin ist atmosphärisch dicht und stimmig. 

 
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