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Kein Ort zum Sterben

2016-06-28
Brooklyn
Kein Ort zum Sterben

Das zweite Buch, das ich mir neben „Brooklyn“ für unseren Urlaub besorgte, war „Brooklyn Follies“ („Die Brooklyn-Revue“) von Paul Auster, einer meiner Lieblingsautoren. Es ist zwar schon vor zehn Jahren erschienen, aber wer könnte besser über ein Stadtviertel schreiben als ein Einheimischer, der seit 1980 dort lebt. 

Zu Beginn des Romans steht es nicht gut um den Protagonisten Nathan Glass. Der pensionierte Versicherungsagent hat eine Lungenkrebs-Therapie hinter sich und seine Familie hat sich von ihm abgewandt. Nun sucht er einen „Ort zum Sterben“ und zieht nach Brooklyn. Seinen Lebensabend will er damit verbringen, ein Buch mit dem Titel „The Book of Human Follies“ zu schreiben, das von menschlichen Torheiten handelt. Dieses Projekt verliert jedoch allmählich an Bedeutung, als er in einem Antiquariat von Harry Brightman zufällig seinen Neffen Tom Wood trifft, der dort arbeitet. Die Begegnung und Freundschaft zwischen den drei führt wiederum zu neuen Bekanntschaften, bringt turbulente Geschehnisse ins Rollen und auf einmal ist Nathan Glass ganz und gar nicht mehr allein. 

Nach und nach erfahren wir mehr über Toms vergangenes Leben und die Abenteuer des Buchladenbesitzers Harry, aber auch über Figuren, die unerwartet auf der Bildfläche erscheinen wie die BPM (Beautiful Perfect Mother), in die sich Tom verguckt oder dessen Nichte Lucy, die plötzlich vor der Haustür steht. Einzeln für sich sind es keine spektakulären Ereignisse, doch in typischer Auster-Manier werden Themen wie Lebensträume und Krisen, Altern und Tod geschickt eingewoben, so dass man mit Spannung den Verwicklungen folgt. Gar nicht typisch für Auster empfand ich dagegen die fast überbordende Warmherzigkeit des Erzählers Nathan und seine zunehmend optimistische Lebenshaltung. Am Ende lösen sich fast alle Konflikte in Wohlgefallen auf und aus dem anfangs einsamen und unglücklichen Mann ist ein Mensch voller Hoffnung und Lebensfreude geworden.

 
Selbstfindung