Verrat am eigenen Volk

Am Anfang des Romans „Straus Park“ des flämischen Schriftstellers Paul Baeten Gronda weiß man noch nicht so recht, was man von der Hauptfigur halten soll. Amos Grossmann hat von seiner jüdischen Kunsthändlerfamilie ein Vermögen geerbt, lebt direkt am Straus Park in der Upper West Side von Manhattan und hat einen ziemlich hohen Verschleiß an Frauen. Innerhalb weniger Seiten machen wir Bekanntschaft mit seinen Ex-Frauen Farren und Alison und seinem Studienfreund Butch. Amos wirkt verbittert und teilnahmslos, scheint mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart zu leben. Dies ändert sich, als eines Tages die englische Kunsthistorikerin Julie Dane in sein Leben tritt. Sie arbeitet an einem Forschungsprojekt über die Verbreitung europäischer Kunst in den USA und möchte dazu Amos’ Besitz begutachten.
Interessant wurde für mich die Geschichte erst durch den Zeitsprung ins Jahr 1937, als Amos’ Großeltern Markus und Charlotte vom brandenburgischen Ketzin nach Amsterdam fliehen, um sich vor den Nazis zu verstecken. Sie werden von einer reichen und hochgebildeten Unternehmerfamilie, die zu den wichtigsten Förderern der Künste zählen, in die Amsterdamer Gesellschaft eingeführt.
Für Charlotte öffnet sich ein neues aufregendes Leben, während ihr ängstlicher Ehemann um keinen Preis auffallen will. Charlottes Lebensgier schlägt jedoch in eine schockierende und verhängnisvolle Richtung. Dabei beschreibt der Autor sehr einfühlsam, wie das Paar trotz ihres gegensätzlichen Charakters und den dramatischen Verwicklungen zusammenhält. Mit steigendem Tempo führt er zwei Zeitebenen zusammen und entfaltet ein Bild von zwei jüdischen Familienschicksalen, die sich auf tragische Weise kreuzen.