Moosforscherin auf Entdeckungsreise

In ihrem Buch „The Big Magic“, den ich Euch im letzten Post vorstellte, beschreibt Elisabeth Gilbert, wie sie dazu kam, ein Buch über das Leben einer Botanikerin zu schreiben. Nachdem ich besagtes Werk mit dem Titel „The Signature of All Things“ („Das Wesen der Dinge und der Liebe“) gelesen habe, verstehe ich auch warum. Im 19. Jahrhundert war für Frauen die Botanik eines der wenigen Gebiete, in dem sie sich wissenschaftlich betätigen konnten.
Das Leben der Protagonistin Alma Whittaker als ungewöhnlich und faszinierend zu beschreiben, wäre glatt untertrieben. Ihr Charakter und Lebensweg wurde sehr stark von ihrem Vater geprägt, weshalb die Autorin auch weit ausholt und zunächst den Aufstieg des Briten Henry Whittaker schildert , der Kapitän Cook auf seinen Expeditionen begleitete und zum reichsten und mächtigsten Pflanzenhändler von Philadelphia wurde.
Seine Tochter Alma, die 1800 geboren wird, ähnelt ihm sowohl äußerlich als auch ihrem Wesen nach: Sie ist stark, wissbegierig, hartnäckig und entwickelt eine große Leidenschaft für die Pflanzenwelt. Sie erkundet jeden Winkel des Anwesens White Acre, das eine große Bibliothek, vielzählige Gärten, Gewächshäuser, Ställe und Brunnen umfasst. Statt mit gleichaltrigen Freunden zu spielen, führt sie kluge Gespräche mit Wissenschaftlern und Kaufleuten, die regelmäßig in ihrem Haus verkehren. Mit 16 Jahren schreibt sie die ersten Aufsätze für Botanica Americana. Ihr besonderes Interesse gilt dem Moos, das unspektakulär, primitiv und bescheiden erscheint und dennoch Würde und Intelligenz für sie ausstrahlt. Durch die intensive Erforschung der Moose begreift Alma allmählich die Signatur aller Dinge. Nur das Wesen der Liebe bleibt ihr trotz der Heirat mit einem Seelenverwandten und einer langen Selbstfindungsphase auf Tahiti ein Rätsel.
Ich schätze unseren Garten, mag schöne Blumensträuße und Waldspaziergänge, doch damit hört mein Interesse für die Botanik schon auf. Trotzdem zog mich die Lebensgeschichte von Alma Whittaker immer mehr in den Bann, was auch der souveränen Erzählerin zu verdanken ist. Elizabeth Gilbert schreibt klar, vielfarbig, zart und zeichnet das Bild einer Frau, die zwischen Wissensdurst und emotionalen Sehnsüchten hin- und hergerissen ist. Dabei nimmt sie uns mit auf eine lehrreiche Entdeckungsreise rund um die Welt, gibt Einblick in das damalige Eroberungsfieber, die Naturforschung und Darwins Evolutionstheorien.