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Ein Vater verschwindet

2016-09-07
Tramsund
Ein Vater verschwindet

Einen passenderen Einstieg hätte Jaap Robben für seinen Roman „Birk“ kaum wählen können, um auf dramatische Weise zu zeigen, wie eine heile Welt ganz plötzlich aus den Fugen gerät. Es ist ein scheinbar ganz gewöhnlicher Tag im Leben von Mikael, der am Nachmittag mit seinem Vater am Strand war und gerade nach Hause gekommen ist. Die Mutter serviert das Abendessen und stellt fest, dass der Vater mal wieder auf sich warten lässt, was offenbar häufiger vorkommt. Für den Sohn stellt sich die Situation völlig anders da. Er ist allein zurückgekehrt und das aus einem bestimmten Grund, den wir erst später erfahren. Vergeblich warten die Mutter und der Leser auf eine Erklärung für das Fehlen des Vaters. „Papa ist weggeschwommen“, ist das Einzige, was der verstörte und von Schuldgefühlen geplagte Sohn von sich gibt. 

Was ist tatsächlich passiert, als Mikael mit seinem Vater Birk an den Strand zum Baden ging? Diese Frage zieht sich zunächst wie ein roter Faden durch die Geschichte, rückt aber zunehmend in den Hintergrund. Man begreift allmählich, dass es dem niederländischen Autor nicht darum geht, eine Familientragödie und ihre Ursachen aufzudecken, sondern umgekehrt die erschreckenden Folgen zu schildern. Anfangs verleugnet die Mutter den Tod ihres Mannes, deckt nach wie vor den Tisch für drei und klammert sich an alle Erinnerungsstücke. Doch dann beginnt sie auf subtile Weise, Veränderungen vorzunehmen, sowohl in der Wohnung als auch in den Rolleneinteilungen. Wie weit die Mutter geht, um den Verlust ihres Mannes zu kompensieren, ist ziemlich schwerer Tobak, mit dem uns der Autor zwar wohldosiert konfrontiert, seine Wirkung aber keineswegs verfehlt.

Die Geschichte lebt vor allem durch den starken Kontrast zwischen harmlosen Alltagsbeschreibungen und psychologischer Analyse und der starken Erzählkraft Robbens. Während er das Leben auf der verlassenen Insel vor der norwegischen Küste und die Atmosphäre am Hafen beschreibt, wo die Fischer ihrer Arbeit nachgehen und gelegentlich Touristen in bunten Regenjacken aufkreuzen, isoliert sich der Sohn immer mehr von seiner Umwelt. Seine Mutter hat für ihn eine ganz besondere Aufgabe vorgesehen – welche, das sollte der Leser in dieser spannenden Lektüre selbst herausfinden.

 
Familie