Wundersame Vermehrung

Harrys Handy- und Uhrensammlung wächst langsam, aber stetig. Da kann ich nur froh sein, dass sie nicht so viel Platz einnimmt wie Kühlschränke, die sich in Maries Wohnung türmen. Marie ist die Protagonistin des französischen Romans mit dem treffenden Titel „Givrée“ – ein Ausdruck für sehr kalt und verrückt. Nicht minder originell ist der deutsche Titel „Die wunderbare Welt des Kühlschranks in Zeiten mangelnder Liebe“.
Die Geschichte beginnt damit, dass Maries frisch erworbener Kühlschrank defekt ist. Als sie ihn bei der Hotline des Herstellers reklamiert, tritt sie durch fehlerhafte Kommunikation und übertriebenem Service eine Lawine los. Dummerweise funktioniert auch das Ersatzgerät nicht und die übereifrigen Angestellten beliefern Marie laufend mit neuen Geräten. So werden aus zwei Kühlschränken schnell mal vier, sechs, zwölf, bis schließlich 17 Geräte in ihrer Wohnung herumstehen – allesamt funktionsuntüchtig. Da ist teurer Rat gefragt – doch von wem? Zur Auswahl stehen der nette Mann von der Hotline, ihr Liebhaber sowie ihr guter Freund und Schriftsteller. Während das fehlende Thermostat aus Indonesien zum Versand bereit liegt, stürzen sich die Medien auf die Story von der vermeintlich unersättlichen Kühlschranksammlerin.
Am erstaunlichsten ist, dass die Betroffene sich überhaupt nicht aus der Fassung bringen lässt. Wo andere schon längst ausgeflippt wären, zeigt Marie kühle Selbstbeherrschung. Oder schwindet nur ihre Widerstandsfähigkeit angesichts des Warenüberflusses und Medienrummels? Man kann gar nicht glauben, dass diese fantasievolle Geschichte mit vielen schrägen Figuren, sarkastischem Humor und witzigen Wortspielereien aus der Feder eines Ingenieurs stammt, der sich sonst mit Solarenergie beschäftigt. Alain Monnier ist eine unterhaltsame Geschichte über eine Mittdreißigerin gelungen, deren kühles Gemüt sich mit zunehmendem Besitz von Kühlschränken allmählich erwärmt und die unerwartet zu ihren wahren Gefühlen findet.