Tückische Strömungen

In dem Roman „Porträt einer Ehe“ von Robin Black geht es um einen Schriftsteller und eine Malerin, die in ein Bauernhaus in der Nähe von Philadelphia ziehen, um ein abgeschiedenes Leben zu führen und sich ganz der Kunst zu widmen. Das klingt erst einmal so, als ob sich das Paar einen langgehegten Traum erfüllt hätte. Eheliches Glück und Erfüllung wird man bei Augusta, genannt Gus, und Owen jedoch vergeblich suchen. Zu groß ist die Anzahl der Tabuthemen, die sich im Laufe ihrer Beziehung angestaut haben, darunter Gus’ Untreue, die verziehen, jedoch nicht vergessen ist, und Owens länger andauernde kreative Blockade.
Als im leerstehenden Nachbarhaus die geschiedene Britin Alison einzieht, die ebenfalls malt, sucht Gus immer häufiger ihre Gesellschaft, um sich mit ihr auszutauschen und anzufreunden. Erst genießt Gus diese Freundschaft frei von Vergangenheit, doch sehr bald merkt sie, dass auch hier kein wahrer Neuanfang möglich ist. Je mehr Gefühle und Geheimnisse sie sich gegenseitig anvertrauen, desto mehr schwindet die anfängliche Unbeschwertheit in ihren Gesprächen und Unternehmungen. Es ist nicht so, dass der Neuankömmling ein Gleichgewicht zerstört, sondern vielmehr eine bereits existente Schieflage nur noch verschärft. Als dann noch Alisons Tochter Nora auf der Bildfläche erscheint, ist das Fiasko perfekt.
Über der ganzen Geschichte lastet eine tiefe Traurigkeit. Es geht um Bedauern, Reue, Misstrauen und Kontrollverlust. Verwunderlich ist es nicht, wenn man bedenkt, was die Figuren durchmachen müssen. Gus’ Vater leidet unter rapide fortschreitender Demenz während Alison immer noch von ihrem gewalttätigen Ex-Mann schikaniert wird. Beide mussten die übelste Verwandlung eines geliebten Menschen mitansehen. Trotz der Tragik habe ich jede Zeile dieses Buches genossen, weil mich die Geschichte im Innersten berührt hat. Die tückischen Strömungen der Ehe werden ebenso mitreißend erzählt wie der tägliche Kampf im kreativen Schaffensprozess. Wunderschön beschrieben ist auch, wie Gus ihre Umwelt mit den Augen einer Malerin wahrnimmt und ihre zurückliegende Affäre wie eine gemalte Landschaft in ihrer Erinnerung abgespeichert hat. Robin Black lotet mit psychologischem Feingefühl kleinste Gefühlsnuancen, Zwischentöne und das Ungesagte aus und bezaubert durch ihren elegant lyrischen Stil.