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Charlie Resnicks letzter Fall

2016-11-06
Nottingham
Charlie Resnicks letzter Fall

Der britische Schriftsteller John Harvey hat sich vor allem mit seiner Krimireihe rund um den Ermittler Charlie Resnick einen Namen gemacht – einen Jazzliebhaber, der in Nottingham Verbrechen jagt. Nach elf Fällen hat sich der Polizist zur Ruhe gesetzt, doch im aktuellen zwölften Band mit dem Titel „Unter Tage“ ist seine Hilfe erneut gefragt. Diesmal spielt die Geschichte vor dem Hintergrund des Bergarbeiterstreiks 1984/85, der nicht nur das Land, sondern auch Regionen, Gemeinschaften und sogar Familien spaltete. 30 Jahre später werden in den Fundamenten eines Abrisshauses die Überreste von Jenny Hardwick gefunden. Es handelt sich um die junge Frau eines Bergmanns, die sich im Streik aktiv engagierte und plötzlich verschwand. 

Charlie Resnick, der damals mit dem Fall betraut war, wird gebeten, die Ermittlerin Catherine Njoroge zu unterstützen. Die Ermittlungen scheinen jedoch von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Obwohl so manche Ungereimtheiten auftreten, scheint keiner an der Wahrheit und Auflösung des Falls interessiert zu sein. Durch Rückblenden erfahren wir Stück für Stück mehr über die Person Jenny. Erst engagierte sie sich in der Organisation der Frauen der Streikenden, dann als Rednerin und Kurier, während ihr Ehemann Barry als Streikbrecher weiterhin die Brötchen verdiente. Kein Wunder, dass die Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden weiter wuchs. Ist Barry damit der Hauptverdächtige? 

Für mich war der Krimi in zweifacher Hinsicht lesenswert: Zum einen lernen wir neben Jennys Ehemann weitere zwielichtige Figuren wie ihre Schwester, ihren Schwager oder einen mysteriöser Verehrer kennen, die sich allesamt verdächtig benehmen, was die Spannung steigert. Zum anderen erfährt man viele Hintergründe über den Konflikt zwischen den Streikenden und Arbeitswilligen. Man kann sich gut vorstellen, wie sich die Streikbrecher damals gefühlt haben, die es gewohnt waren, als Ernährer der Familie in die Arbeit zu gehen und auf einmal dafür verurteilt wurden. Noch härter traf es Familien wie die Hardwicks, die im eigenen Haus zwei Fronten bildeten. 

An wenigen Stellen schimmert ein wenig Humor durch, zum Beispiel wenn Resnick sich fragt, warum jeder gleich in die Küche rennt, um Tee zu kochen, wenn ein Polizeibeamter vorbeikommt. Doch im Ganzen überwiegt ein trister und harter Ton, der den Leser den Hass, die Ausgrenzung und Gewalt, die bis in die Gegenwart reichen und sich in ganz anderer bedrohlicher Form zeigen, hautnah spüren lässt. „Darkness, darkness“ lautet treffenderweise der englische Originaltitel des Romans, der in typischer John Harvey Manier gesellschaftliche Konflikte ins Visier nimmt und sie in einen spannenden Krimi verpackt.