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Die göttliche Maschine

2017-01-04
Cambridge
Die göttliche Maschine

Stellt Euch vor, Ihr geht auf Reisen und überall sieht es genauso aus wie zu Hause. Welch ein Alptraum! Solch ein Szenario zeichnet E. M. Forster in seiner Erzählung „The machine stops“ („Die Maschine steht still“), die nun in neuer Übersetzung erschienen ist. 

Selbstfahrende Autos, Komfort und Sicherheit auf Knopfdruck in seinen vier Wänden ... an all das werden wir uns wohl früher oder später gewöhnen müssen. E. M. Forster hat dies alles aber schon 1909 kommen sehen, als er seine verstörende Kurzgeschichte verfasste. Hatte der Schriftsteller, der nach seinem Studium in Cambridge durch die Weltgeschichte reiste und so bekannte Romane wie „Zimmer mit Aussicht“ und „Wiedersehen in Howards End“ schrieb, hellseherische Fähigkeiten? 

Seine Vision ist allerdings weitaus düster. Das Leben gleicht der Hölle und das nicht nur, weil die Menschen unterirdisch leben und jeglichen Kontakt zur Umwelt und Natur verloren haben. Alles, was sie umgibt, ist standardisiert: vom Stadtbild über die Einzelzelle bis hin zur Bettgröße. Ob Essensaufnahme, Unterhaltung oder Kommunikation – alles wird über eine allmächtige Maschine gesteuert. Menschen, die sich gegen das System auflehnen, werden als Gesetzesbrecher an die Erdoberfläche verbannt. 

Besonders beängstigend fand ich den Gedanken, dass Menschen nur noch aus zweiter Hand leben und nur noch nach neuen Ideen suchen, weil sie selbst keine authentischen Erfahrungen mehr machen können. Wissen wird ausschließlich über Vorträge und Schriften überliefert – direkte Beobachtungen und persönliche Meinungen sind tabu. 

Aber was passiert, wenn die Maschine anfällig wird für Pannen und irgendwann stillsteht? E.M. Forster zeigt die Konsequenzen unkritischer Technikgläubigkeit und völliger Abhängigkeit. Dass Harry den Apple Store scherzhaft „Die Kathedrale“ nennt, hat auf einmal einen bitteren Beigeschmack. Forsters damalige Zukunftsversion, die unserem Alltag erstaunlich nahe kommt, wirft viele aktuelle Fragen auf und ist absolut lesenswert.

 
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