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In den Wäldern von Pennsylvania

2017-02-15
Wild Thyme
In den Wäldern von Pennsylvania

Das Schöne an Romanen ist, dass man in Welten eintauchen kann, die einem völlig fremd sind – so auch in dem Krimi „Auf der Jagd“ von Tim Bouman. Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist die Gemeinde Thyme, wo man sich vor Holzdieben, Wilderern und Einbrechern hüten muss. Ansonsten passiert nicht viel in den einsamen Wäldern im Nordwesten von Pennsylvania. Das dachte zumindest Henry Farrell, als er seine Stelle als Dorfpolizist dort antrat und sich auf ein ereignisloses Leben einstellte. Nach seinem Kampfeinsatz in Somalia und dem Verlust seiner erkrankten Frau war es genau das, was er wollte: räumliche Weite, ein wenig jagen und fischen und minimaler Kontakt mit Menschen.

Als eines Tages eine Leiche auf dem Grundstück von Aubrey Dunigan entdeckt wird, zeigt der Ort jedoch nach und nach sein wahres Gesicht. Henry ist gezwungen, sich mit den einzelnen Bewohnern und ihrer Vorgeschichte zu beschäftigen. Auch den zunehmenden Bedrohungen, einerseits durch mexikanische Drogendealer und andererseits durch ein Frackingunternehmen, das das Land ausbeutet, muss sich der Gesetzeshüter im Zuge seiner Ermittlungen stellen. Wer jetzt eine effiziente und rasante Ermittlung erwartet, wird allerdings enttäuscht, denn die Uhren ticken anders in Wild Thyme. Die Menschen dort passen sich dem Rhythmus der Tiere und der Natur an und entsprechend gemächlich erfolgt auch die Aufklärung des Falls. So darf man sich nicht wundern, wenn Henry in Ruhe die Umgebung des Tatorts auskundschaftet, sich zwischendurch auf einem Baumstumpf niederlässt und die Sterne beobachtet. Nicht gerade der typische Ermittler, den man aus gängigen Krimis gewohnt ist.

Das ist aber auch das Besondere an dieser Geschichte, denn der Mordfall ist eher sekundär. Vielmehr geht es um die eigenwilligen Figuren, ihr besonderes Verhältnis zu dem Lebensraum, das immer mehr gefährdet ist und verkommt. Bouman deckt Schicht für Schicht die Vergangenheit des Ortes auf und vermittelt subtil, wie sich der Hass der Gemeinschaft auf jegliche Autorität aufgebaut hat. Als Henry mit seiner Frau Polly am Stadtrand von Pinedale wohnte, den Blick auf die Zeilen der Wind-River-Bergkette genoss und Wanderungen unternahm, war die Welt für ihn noch in Ordnung. Durch die Erkrankung und den Tod seiner Frau ist der Ort für Henry nicht mehr das, was sie war. Auf ähnliche Weise hat auch Aubrey Dunigan durch den Fund der Leiche auf seinem Grundstück „einen Ort verloren, den er liebt“. Diese Wechselwirkung zwischen Mensch und Land zieht sich wie ein roter Faden durch diesen sehr lesenswerten Roman mit einem überraschenden Ende.