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Literarisches Selbstporträt

2017-05-29
Westerwald
Literarisches Selbstporträt

Viele Bücher von Hanns-Joseph Ortheil drehen sich um die Themen Lesen, Schreiben und das Leben als Schriftsteller. Das liegt wohl daran, dass er nicht nur Kreatives Schreiben lehrt, sondern selbst auf einem ganz ungewöhnlichen Weg zum Schreiben fand. Davon handelt auch sein etwas älteres Buch „Das Element des Elefanten“.

Seine Mutter, eine Bibliothekarin, verlor nach grauenhaften Kriegserlebnissen die Sprache. So wurde für ihn die Stille, das Abgeschirmte und die wortlose Verständigung die Sphäre der Mutter. Mit zunehmendem Interesse nahm er wahr, wie sie sich in Bücher vertiefte und in einen Leserausch verfiel, der sich bald auch auf ihn übertrug. Dass Ortheil mit fünf Jahren seinen Autismus überwand, haben wir seinem Vater zu verdanken. Der Landvermesser nahm sich täglich einige Stunden Zeit, um mit seinem Sohn ausgedehnte Spaziergänge zu unternehmen und ihm alles, was sie sahen, als Vokabel einzuimpfen. Damit wurde Ortheils Sammelleidenschaft geweckt: Er setzte alles daran, den Besitz seiner Worte zu vergrößern. Es folgten Reisen an den Bodensee, nach Berlin und durch das Rheintal, bei denen er detaillierte Expeditionsberichte schrieb und alle Wege und Strecken, die sie zurücklegten, dokumentierte.

Die Gewohnheit, sich täglich Notizen über Begegnungen und Erlebtes zu machen, hat er bis heute beibehalten. Schreiben ist für ihn „ein Sich-Erinnern, ein Hervorlocken, eine Wegkreuzung all der Stimmen, die den Reisenden auf seinem Schreibweg begleiten“. Nun kann ich auch seine Vorliebe für Haikus nachvollziehen. Die Wanderschaft versteht er nämlich mehr im asiatischen Sinne und „verneigt sich vor den Kostbarkeiten des Lebens“. Rückblickend stellt er fest, dass er mit seinem fünfteiligen Romanzyklus den Kreis seines Elternhauses vermessen hat. Mit 19 Jahren wagt er, seine Heimat hinter sich zu lassen, und bricht nach Rom auf, um einen Roman über die Stadt im Stile Hemingways zu schreiben. Bis er diesen vollendet, hat er noch zahlreiche innere Krisen zu überwinden, an denen der Autor uns wieder einmal in brillanter Sprache teilhaben lässt. 

 
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