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Fragmente einer Ehe

2017-04-06
Manchester
Fragmente einer Ehe

Viel Emotion und Drama würde man in einem Buch erwarten, der den Niedergang einer dreißigjährigen Ehe beschreibt. Nicht so bei Tim Parks und seinem Roman „Thomas & Mary“. Manchmal hatte ich das Gefühl, er dokumentiert das merkwürdige Verhalten von zwei Laborratten, die sich immer mehr voneinander isolieren. Mit dem kleinen Unterschied, dass Laborratten keinen Ehering tragen. Damit fängt die Geschichte nämlich an, oder besser gesagt mit dem Verlust desselben an einem Strand in Blackpool. Thomas ist ganz sicher, dass er seiner Frau den Ring zur Verwahrung gegeben hat, bevor er ins Wasser ging, sie jedoch bestreitet dies. Schon in diesem kleinen Disput werden die Protagonisten treffend charakterisiert: Thomas, der dazu neigt, jedes Vorkommnis im Bezug auf ihre Ehe zu deuten und eine Symbolik zu erkennen, während Mary die Sache als Bagatelle abtut. 

Ähnlich verhält sich das Paar, als eine Pflanze, die sie einst zur Hochzeit bekamen, eingeht. Mary würde pragmatisch die Pflanze entsorgen, doch Thomas hängt an ihr und macht sich Gedanken, wann genau die Pflanze abstarb. Hofft er, auf die Weise bestimmen zu können, wann die Ehe zu kriseln begann? War Thomas’ erster Seitensprung die Ursache oder nur der Auslöser? Fakt ist, dass sich das Paar immer weiter auseinander lebt, bis es schließlich zur räumlichen Trennung kommt. Das alles wird nicht chronologisch, sondern in Zeitsprüngen und aus verschiedenen Perspektiven geschildert. So schlüpft der Erzähler in die Rolle der Ehefrau, Tochter, Geliebten oder seines Tennispartners, so als wolle er die missglückte Ehe von allen Seiten analysieren. Manche Episoden lesen sich wie Kurzgeschichten, mal witzig-ironisch, mal deprimierend. 

Tim Parks hat ein besonderes Talent, Momentaufnahmen im Alltag für sich sprechen zu lassen – zum Beispiel als Thomas Mary etwas Wichtiges von der Arbeit erzählen will und sie mitten im Gespräch den ohrenbetäubenden Entsafter einschaltet. Auch wenn der Erzählstil eher nüchtern wirkt, spürt der Leser doch Thomas’ Schmerz, seine Verzweiflung und Schuldgefühle. Marys Sicht kommt in dieser Geschichte leider zu kurz und würde sicher ein weiteres Buch füllen.