Slow Food vom Feinsten

Wer schon einmal in Tokio war, hat sicher noch vor Augen, wie Tradition und Moderne aufeinanderprallen. Nicht selten steht eine alte Tempelanlage mit Zen-Garten zwischen zwei gläsernen Skyscrapers. Um diesen Gegensatz geht es auch in der japanischen TV-Serie "Osen". Schon die ersten Szenen sind bezeichnend: Während der unterforderte junge Koch Masato in einem angesagten modernen Restaurant mit seinem Schwert eine Show abzieht, schneidet der Chefkoch des traditionellen Restaurants Isshouan mit höchster Konzentration ein Stück rohen Thunfisch in Scheiben.
Masato kennt das Isshouan seit seiner Kindheit und beschließt, sich dort zu bewerben und wird sogleich angestellt. Er muss jedoch feststellen, dass er sich die Arbeit dort etwas anders vorgestellt hat. Die Leitung liegt mittlerweile in den Händen der Tochter, die schon am frühen Morgen ein paar Gläschen Sake zwitschert, die Mitarbeiter mit einem Hungerlohn und Masato mit niederen Arbeiten abspeist. Mehrmals schmeißt er das Handtuch und kehrt doch wieder reuevoll zurück, weil ihm trotz allem Osens Philosophie und ihre Hartnäckigkeit imponieren.
Zu meinen Lieblingsszenen zählt eine Kochshow, in der die völlig aus der Zeit gefallene Osen gegen eine Köchin auftritt, die dafür bekannt ist, die leckersten Gerichte in kürzester Zeit aus der Mikrowelle zu zaubern. Wie zu erwarten ist der TV-Star schon längst fertig, während Osen jeden Garnelenspieß bedächtig und liebevoll umdreht und den Lauch wie in einem meditativen Akt in Scheiben schneidet. Von Slow Food hatte ich ja schon zuvor gehört, doch diese Szene machte mir so richtig bewusst, was tatsächlich hinter dem Begriff steckt. Es ist bedauerlich, dass man im Alltag nicht die Muße findet, so zu kochen wie Osen es vormacht.
Neben viel witziger Unterhaltung habe ich in dieser Serie viel Interessantes über die kulinarische Tradition meiner Heimat gelernt, zum Beispiel wie Misopaste klassisch hergestellt wurde oder in welch langwierigem Prozess Bonitoflocken, auch Katsuobushi genannt, geräuchert und getrocknet wurden. Mich begeisterte auch Osens Einfallsreichtum, wenn es darum ging, für den Erhalt kulinarischer Traditionen oder schützenswerter Hand- und Bauwerke zu kämpfen. Die Serie ist ein Augenschmaus für alle, die sich für japanische Keramik, Textilien oder Dekoration interessieren.