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Lesen, um zu leben

2017-06-24
Paris
Lesen, um zu leben

Facebook, Instagram, Video on Demand, Bloggen … Immer wieder wird es neue Arten der Freizeitbeschäftigung geben. Was sich in den letzten Jahrhunderten jedoch kaum verändert hat, ist die Leidenschaft für Bücher. Das sollten wir am Tag der Münchner Buchhandlungen feiern! Besonders Frauen lasen seit jeher „um zu leben“, wie es Stefan Bollmann ausdrückt. Was er damit genau meint und wie die Macht und Magie des Lesens ihren Anfang nahm, erläutert der Schriftsteller in seinem sehr aufschlussreichen Panorama mit dem Titel „Frauen und Bücher. Eine Leidenschaft mit Folgen“. 

Wir erfahren, dass Mitte des 18. Jahrhunderts durch Klopstock die erste Dichterlesung erfunden wurde und Literatur in großstädtischen schöngeistigen Zirkeln wie im Pariser Hotel Rambouillet rezitiert und zelebriert wurde. Durch das Lesen konnten Frauen den engen Rahmen ihres Alltags und ihrer Rolle sprengen, sich ihren Gefühlen hingeben und auf eine neue Art das Leben genießen. Chronologisch stellt der Autor Persönlichkeiten vor, die einen bedeutenden Einfluss auf die weiblichen Lesegewohnheiten und die Emanzipation in dem betreffenden Jahrhundert hatten, darunter Mary Wollstonecraft, die erste professionelle Rezensentin der Mediengeschichte oder Jane Austen, die mit ihren romantischen Klassikern die Unabhängigkeit des Denkens und der Lebensführung fördern wollte. Wer hätte gedacht, dass der Nährboden für die heute so gefragten Lebensratgeber bereits Mitte des 19. Jahrhunderts durch E. Marlitt vorbereitet wurde. Sie führte den ersten Serienroman ein, ermunterte ihre Leserschaft, ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen und avancierte nicht nur zur ersten deutschen, sondern auch ersten internationalen Bestsellerautorin.

Der Ausflug nach Bloomsbury ins Jahr 1910 vermittelt uns den intellektuellen Geist, der in den Literaten- und Künstlerzirkeln herrschte, und eine neue ungezwungene und unabhängige Lebensweise. Besonders spannend liest sich das Porträt von Sylvia Bean, Gründerin der berühmten Buchhandlung „Shakespeare and Company“ in Paris. Bean war nicht nur Buchhändlerin und Ein-Buch-Verlegerin, sondern auch Netzwerkerin, die Menschen und Bücher, Schriftsteller und Leser, Autorinnen und Autoren verschiedener Nationen zusammenbrachte. Diese vergnügliche und informative Reise in die Literaturgeschichte und die Gefühlswelt weiblicher Leserinnen, in denen ich mich sehr häufig wiedererkannt habe, kann ich allen Leseratten wärmstens empfehlen. Ich schmökere derweil als nächstes in seinen vorangegangenen Bildbänden, in denen der Autor lesende Frauen in der Malerei kommentiert.

 
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