YukBook.me

Stories & Design

"When you want to die, smiling is not easy"

2017-07-01
London
"When you want to die, smiling is not easy"

Nach dem sehr originellen Debütroman „The Universe Versus Alex Woods“ war zu erwarten, dass Gavin Extence auch diesmal keine gewöhnliche Geschichte präsentiert. Schon der Einstieg in „The Mirror of Melody Black“ („Libellen im Kopf“) macht Lust auf mehr: Ich-Erzählerin Abby will sich von ihrem Nachbarn eine Dose Tomaten borgen und findet ihn tot in seiner Wohnung vor. Seit diesem Vorfall gerät das Leben der Journalistin aus der Bahn. Sie sprudelt zwar vor Ideen für Artikel, leidet jedoch unter massiven Schlafproblemen. Da hilft nur eins: persönlich Professor Caborn in Oxford aufzusuchen, um ihr Schlafdefizit eingehend mit ihm zu diskutieren. 

Ein Schuss britischer Humor, Selbstkritik und entwaffnende Ehrlichkeit sind die Zutaten, mit denen der Autor Abbys Lebensgeschichte zu einem schmackhaften Leseerlebnis macht – und das obwohl sich herauskristallisiert, dass Abby unter eine bipolaren Störung leidet. Als Außenstehender kann man nur vage erahnen, wie unverstanden sich Abby fühlt – sowohl von ihrer völlig humorlosen Schwester Fran als auch von ihrem Lebensgefährten Beck, der sie bedingungslos liebt. Eine der schönsten Szenen spielt im Luxushotel Dorchester, wo sie sich kurz nach dem Kauf eines extravaganten Abendkleids spontan eincheckt. Sie nimmt ein Bad, setzt sich anschließend nackt an den Schreibtisch und zaubert auf acht Seiten edlem Hotelpapier einen Artikel über Blautöne, den sie als Meisterwerk deklariert. Für einen Augenblick will sie nicht an ihre Probleme oder Zukunft denken, sondern nur das Jetzt beschützen. Auch für den Leser ist es ein Moment voller Schönheit und Klarheit. Wie schnell das Hochgefühl und die Situation kippen können, bestätigt sich wenige Minuten später. Vom Fünf-Sterne-Hotel geht es schnurstracks in die geschlossene Psychiatrie des Hammersmith Hospitals. 

Im Gegensatz zur Hälfte des Romans wird die Handlung dürftiger, dafür bekommt der Leser umso tieferen Einblick in Abbys Innenleben. Man weiß nie, welche emotionalen Abgründe hinter der nächsten Tür lauern. Zum Glück fehlt es Gavin Extence auch hier nicht an Humor. Abby will so schnell wie möglich aus der Klinik entlassen werden, indem sie vortäuscht, wieder völlig gesund zu sein und nimmt sich vor, das Personal auszutricksen. „When you want to die, smiling is not easy“, stellt sie trocken fest. In Melody findet sie endlich eine Person, mit der sie ein normales Gespräch führen kann, ohne sich verstellen oder nachdenken zu müssen, wie sie von anderen bewertet wird. 

Es gibt sehr viele rührende Momente in dieser Geschichte – zum Beispiel wie einfühlsam und souverän Abbys Therapeutin mit ihr umgeht. Oder Becks Versuche, seiner Gefährtin durch lange Briefe wieder näher zu kommen. Man bekommt zu spüren, wie schwierig es für beide Seiten ist, ein ehrliches Gespräch zu führen. Beck möchte ihr helfen und fühlt sich doch angesichts Abby selbstzerstörerischem Verhalten machtlos. Bald ist er sich nicht mehr sicher, ob seine Liebe ausreicht, damit die Beziehung funktioniert. Gavin Extence berichtet in diesem Buch aus eigener Erfahrung, wie er im Nachwort verrät. Beeindruckend, wie authentisch er nicht nur das Krankheitsbild, sondern auch die Konflikte mit Nahestehenden vermittelt.