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Bitterer Überlebenskampf

2017-07-16
Everland
Bitterer Überlebenskampf

Der Roman „Everland“ von Rebecca Hunt hat mich ganz schön Kraft gekostet. Sicher nicht in dem Maße wie die Crew der Antarktis-Expedition, doch immerhin. Das liegt zum einen an den vielen Zeitsprüngen. 1913 brechen drei Männer des britischen Forschungsteams ‚Kismet‘ zur fiktiven Insel Everland auf, um sie zu erforschen. Parallel wird von einer zweiten Expedition erzählt, die hundert Jahre später stattfindet. Diesmal macht sich der Expeditionsleiter Decker mit einer unerfahrenen Wissenschaftlerin und einer kompetenten Feldassistentin nach Everland auf, um Feldforschung an Pinguinen und Seebären zu betreiben. Innerhalb dieser zwei Handlungsstränge gibt es wiederum Zeitsprünge, so dass man nur bruchstückartig Details erfährt, die das Geschehen immer wieder in ein neues Licht rücken.

Doch es ist nicht nur die ungewöhnliche Konstruktion, die dem Leser einiges abverlangt. Rebecca Hunt geht es vor allem um das menschliche Verhalten in Extremsituationen, um zwischenmenschliche Dramen und psychologische Spielchen untereinander. Jeder einzelne ist nicht nur den gnadenlosen Naturgewalten, sondern auch menschlicher Eiseskälte und Wahnvorstellungen ausgeliefert.

Feinheiten werden herausgearbeitet, zum Beispiel wie Matrosen herumblödeln, um den Ernst ihrer Situation herunterzuspielen, welche Phobien und Aberglauben sie haben oder wie sich verletzte Crewmitglieder abmühen, anderen nicht zur Last zu fallen und sich nützlich zu machen. Eine verstümmelte Hand kann eine so starke Präsenz ausstrahlen wie ein vierter Mann im Team, ein verletztes Bein kann so viel Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, dass sich zwei Frauen das ‚Sorgerecht‘ darum teilen. Auf solche originellen Ausdrücke muss man erst einmal kommen.

Wie geht man damit um, wenn man erkennt, dass eine unerfahrene Person aus rein egoistischen Motiven angeheuert wurde und damit die ganze Expedition gefährdet? Dieses und noch viele andere Muster wiederholen sich bei beiden Forschungsteams und werden plastisch gegenübergestellt. Die Beschreibung der allumfassenden Kälte sorgte für eine angenehme Abkühlung an den heißen Sommertagen, doch sie ging auch ganz schön an die Substanz. Schonungslos beschreibt Rebecca Hunt ausgemergelte Körper, erfrorene Gliedmaßen und Tierkadaver – das ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Der Wechsel zwischen den Zeitebenen ist zum Ende hin immer enger getaktet, die Spannung steigt, bis zum Schluss die Wahrheit ans Licht kommt und ein beklemmendes Gefühl hinterlässt.

 
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