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Die Don Quijotes in Manhattan

2017-08-22
New York
Die Don Quijotes in Manhattan

Bücher sind selten Sackgassen. Sie öffnen nicht nur Türen in neue Welten, sondern initiieren gleich die nächste Buchanschaffung. In dem Buch „Shop Girls“ beispielsweise nannten zwei Buchhändlerinnen einen Titel, der sie bei der Gründung ihres Ladens besonders inspirierte hatte: „Sunwise Turn“ von Madge Jenison. Darin schildert die Autorin, wie sie gemeinsam mit Mary Mowbray-Clarke im Jahr 1916 eine Buchhandlung in Manhattan gründete und sich ihren Traum erfüllte.

Von Anfang an müssen sich die zwei Gründerinnen der harten Realität stellen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind schwierig – besonders für Buchhandlungen, die sich meist nur durch den Verkauf von anderen Artikeln wie Schreibwaren halten können. Dennoch sind Madge und Mary von ihrer Idee überzeugt: Manhattan braucht eine neue Art von Buchhandlung, die alle Facetten des modernen Lebens aufgreift und sie den Menschen zugänglich macht.

An der 5th Avenue, Ecke 31. Straße entsteht schließlich ihr Laden, der vor allem durch seine gewagte Farbgebung die Passanten anzieht. Bei der ersten Bestellung kaufen sie alle Bücher, die ihnen selbst gefallen und denen sie viele Leser wünschen – so hätte ich es an ihrer Stelle sicher auch gemacht. Als Madge sich einmal in einer anderen Buchhandlung in der Nähe umsieht, fühlt sie sich eingeschüchtert, weil dort alles so perfekt und professionell wirkt im Gegensatz zu ihrer improvisierten Buchhandlung. Als sie jedoch in ihren Laden zurückkehrt und sieht, wie lebendig und authentisch die Atmosphäre ist, sind all ihre Zweifel verflogen.

Ähnlich wie in dem biografischen Roman „Meine wundervolle Buchhandlung“ von Petra Hartlieb wird auch hier der Geschäftsalltag mit wechselnden Hilfskräften geschildert. Die meist gehandelte Ware, so betont Madge immer wieder, sei das Gespräch. Kunden kommen, um nicht nur über Bücher, sondern über die Nachbarschaft, das Tagesgeschehen oder ihre persönlichen Probleme zu sprechen. So rückt der eigentliche Verkauf der Bücher fast in den Hintergrund, denn Mary und Madge lassen sich immer wieder Strategien einfallen, um Neuland zu erschließen und Bücher an ungewohnt Orte zu bringen. Sie verbringen mehrere Tage damit, Titellisten für verschiedene Branchen zu erstellen und Bibliotheken zu schaffen, zum Beispiel für einen Kindergarten in London. Erstaunlich fand ich, dass es vor allem gebildete Frauen aus gehobenen Schichten waren, die die beiden Ladeninhaberinnen immer wieder ohne Bezahlung unterstützten. Auch sie spürten wohl, dass sie Teil einer wichtigen Mission waren, die die Autorin sehr oft zur Sprache bringt.

Angetrieben werden die Buchhändlerinnen zum einen natürlich durch ihre Liebe zu Büchern. Wenn Madge mit einem Buch unterwegs ist, fühle es sich an wie warmes Gold. Eine Mußestunde und ein bequemer Sessel würden genügen, um in höhere Gefilde aufzusteigen. Wie wahr! Die Liebe allein hätte aber sicher nicht gereicht, um 'Sunwise Turn' so weit zu bringen. Es war vor allem ihre Überzeugung, dass Bücher unentbehrlich für die Menschheit sind. Sie haben die Macht, Frieden und Bildung zu fördern und spenden Lebenskraft und -freude. Für diese Idee kämpften sie wie Heldinnen und kamen sich manchmal vor wie Don Quichote. „Bücher schenken uns Motive, Möglichkeiten, Prüfungen und Vorlieben." Das ist nur einer von vielen klugen Sätzen, die auch nach hundert Jahren noch ihre Gültigkeit haben.

 
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