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Einstein oder Phoenix

2017-10-12
Portland
Einstein oder Phoenix

Als ich das erste Mal von dem Begriffspaar Taucher und Scanner hörte, war es für mich ein Aha-Erlebnis. Ganz klar konnte ich mich zwar nicht zuordnen, aber tendenziell erkannte ich in mir die Scannerin, die im Leben möglichst viel entdecken und ausprobieren möchte statt bei einer Sache in die Tiefe zu gehen. Auch die Amerikanerin Emilie Wapnick zählt sich zu dieser Gruppe, hat allerdings einen neuen Begriff geschaffen: Sie nennt sich ‚Multipotentialite‘. In ihrem Buch „How To Be Everything“ beschreibt sie viele Möglichkeiten, wie diese Menschen ihre vielfältigen Interessen beruflich und privat ausleben können.

Wapnick stellt fest, dass ‚Multipotentialites‘ im Vergleich zu Spezialisten eher mit einem negativen Image zu kämpfen haben und spricht aus eigener Erfahrung. Sie tummeln sich auf vielen Feldern und beherrschen nichts gescheit – so die verbreitete länder- und kulturübergreifende Meinung. Damit holt die Autorin geschickt alle Betroffenen ab und zeigt Verständnis für ihre häufigsten Sorgen: Kann ich als Multipotentialite überhaupt von meinem Beruf leben? Wird in der Regel nicht ein Spezialist gegenüber einem Multitalent bevorzugt? Wie stark leidet die Produktivität? Und erst das Selbstbewusstsein?

Die Autorin räumt mit gängigen Vorurteilen auf und betont, dass es auf Expertise und Erfahrung allein nicht ankommt, obwohl die meisten Karrierebücher eher darauf ausgerichtet sind. Sie ist überzeugt, dass Scanner-Typen viele wertvolle Fähigkeiten mitbringen wie schnelles Lernvermögen, Flexibilität, die Fähigkeit, größere Zusammenhänge zu erkennen, Dinge zu kombinieren, auf andere Gebiete zu übertragen und neue originelle Ideen hervorzubringen.

Konkret stellt sie vier verschiedene Arbeitsmodelle vor, die sehr schlüssig sind und zudem sehr treffende Namen haben. Der „Group Hug Approach“ wird diejenigen ansprechen, die möglichst viele ihrer Interessen und Fähigkeiten in einen Hauptberuf einbringen möchten. Der „Slash Approach“ dagegen sieht mehrere parallele Tätigkeiten vor, so dass keine Langeweile aufkommt. Beim „Einstein Approach“ geht man einem Hauptberuf nach, den man gern ausübt und mit dem man verschiedenste Hobbies finanzieren kann. Der „Phoenix-Approach“ wird diejenigen begeistern, die aus einem Posten das Maximale herausholen, um dann zur nächsten herausfordernden Tätigkeit zu wechseln und sich so immer weiter entwickeln. Auch eine Kombination aus den Modellen wäre denkbar, die die Autorin mit vielen Beispielen belegt. Hunderte von Leuten hat Emilie Wapnick befragt, die ein glückliches und finanziell stabiles Leben führen. Viele haben sich statt zielstrebiger Karriereplanung für eine facettenreiche Lebensgestaltung entschieden.

Das Buch ist sehr gut strukturiert, unterhaltsam geschrieben und enthält viele praktische Übungen, um die Empfehlungen umzusetzen. Eine der wichtigsten Aufgaben wird gleich am Anfang gestellt: sein „Warum“ zu definieren, indem man eine Masterliste mit all seinen Interessen und Fähigkeiten erstellt. Durch wilde Kombinationen untereinander lassen sich vielleicht ganz neuartige Tätigkeiten und Beschäftigungsfelder erschließen.

 
Selbstfindung