Nur der Muschelkäfer war Zeuge

Manchen Schriftstellern gelingt es besonders gut, einen Schauplatz in die Handlung einzubetten. Das gilt auch für Johannes Wilkes und seinem neuen Krimi „Muschelkäfer morden nicht“. Darin verschlägt es Kommissar Mütze und seinen Lebensgefährten Karl-Dieter zum dritten Mal auf die Insel Spiekeroog. Nachdem sie dort schon zwei Mal erfolgreich ein Verbrechen aufklären konnten, haben sie vom Inselbürgermeister als Dank eine Reise dorthin spendiert bekommen.
Schon in der Anfangsszene, die die Schiffsanreise beschreibt, kann sich der Leser auf den bevorstehenden Urlaub der beiden einstimmen. Während Karl-Dieter sich eifrig mit einer jungen Mutter über sein Lieblingsthema ‚Kinder’ unterhält, besorgt sich Mütze eine Bockwurst und einen Jever. Damit sind die Protagonisten in wenigen Worten bestens charakterisiert.
Karl-Dieter erhofft sich diesmal ungetrübte „leichenfreie Inseltage“. Mütze dagegen hätte gegen einen kleinen Nervenkitzel nichts einzuwenden und bedauert, dass sein kriminalistisches Gespür vorerst nicht gefragt ist. Das ändert sich, als die Leiche eines Mannes entdeckt wird, der als Volker Vickermann aus Schwerte identifiziert wird. Die Indizien deuten auf einen Badeunfall. Als Mütze jedoch erfährt, dass der Vogelkundler und Fotograf anscheinend einer heißen Fährte auf der Spur war, kann er nicht mehr stillsitzen. Der Leser weiß indessen mehr als der Kommissar dank einem Muschelkäfer, der Zeuge eines heimtückischen Mordes wurde und dem in diesem Krimi eine gebührende Nebenrolle zuteil wird – eine ganz originelle Idee.
Neben der Aufklärung des Mordfalls ziehen sich zwei weitere Themen durch die Geschichte. Zum einen gibt der Autor dem Schauplatz viel Raum, seine Eigenheiten zu entfalten. Wir bekommen nicht nur einen lebendigen Eindruck von der Landschaft und dem wechselhaften Friesenwetter, sondern erfahren auch etwas über die Entstehungsgeschichte der Insel und die Einsamkeit vieler Bewohner. Der zweite Fokus liegt auf der Beziehung zwischen Mütze und Karl-Dieter. Sie wird hart auf die Probe gestellt wird, als Karl-Dieter ein fremdes Baby vorübergehend unter seine Fittiche nimmt. Seit jeher wünscht er sich ein Kind und lässt nichts unversucht, um seinen Partner für die Idee zu begeistern. Ich hatte fast das Gefühl, im Strandkorb zu sitzen und Zeugin ihrer kleinen Querelen zu werden. Wie sehr Karl-Dieter in seiner Vaterrolle aufgeht, ist durchaus rührend, nimmt in der Geschichte jedoch etwas überhand. Abgesehen davon habe ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen, weil die Lösung des Falls gar nicht leicht zu erraten ist. Ich mag auch Wilkes heiteren und pointenreichen Schreibstil – die ideale Urlaubslektüre für den Strand und für Zuhause.