"Ich will mir selbst gehören"

Margret Greiner versteht es einfach ein Frauenleben fesselnd zu zeichnen. Nach „Charlotte Salomon“ und „Emilie Flöge“ ist „Charlotte Berend-Corinth und Lovis Corinth“ die dritte Romanbiografie, die ich von ihr gelesen habe. Charlotte Berend ist die erste Schülerin von Corinth, der 1901 seine erste „Malschule für Weiber“ gründete und sich damals noch mit Unterricht finanziell über Wasser hielt. Ohne Sentimentalitäten beschreibt die Autorin, wie sich die beiden bei ihrem ersten gemeinsamen Urlaub an der Ostsee näher kommen und den besonderen Augenblick, in dem sich Charlotte in den zwanzig Jahre älteren Mann verliebt und sich mit Haut und Haaren für ihn entscheidet.
Es beginnt ein aufregendes und abwechslungsreiches Leben, in dem Charlotte in die höhere Gesellschaft eingeführt wird, Atelierfeste erlebt und ihre große Liebe heiratet. Margret Greiner hebt immer wieder hervor, welche Stütze sie für den Künstler war, der von Depressionen gepeinigt wurde. Sie baut ihm sogar ein Haus in Urfeld am Walchensee, damit er sich künstlerisch verwirklichen kann und stellt ihre künstlerischen Ambitionen zurück. Zu ihren Stärken zählt aber nicht nur ihr Durchhaltevermögen, sondern auch ihr Antrieb, Neues zu entdecken und zu erfahren. Sie taucht in das Berliner Nachtleben ein, erlebt die lesbische Liebe, was wiederum ihre Kunst beflügelt. Und wieviel Reisen diese Frau unternommen hat! An die Riviera, nach Rom, St. Moritz, Andalusien, Ägypten ... Auch nach dem Tod ihres Mannes gibt es keinen Stillstand. Sie lebt zehn Jahre in Italien und emigriert in die USA.
Diese spannende und hervorragend recherchierte Lebensgeschichte beschreibt eine komplexe Persönlichkeit, die aus tiefer Liebe ihren Mann unterstützt und sich dennoch bis zum Schluss selbst treu blieb. Schade, dass so wenige Werke von der Malerin erhalten geblieben sind.