Hymne an die weibliche Leselust

Lesende Frauen waren offenbar ein beliebtes Sujet in der Malerei. Blättert man in dem Kunstband „Frauen und ihre Bücher“ von Johannes Thiele versteht man auch warum. Malern wie Auguste Renoir, Jan Vermeer oder Thomas Sully ist es gelungen, diesen Zustand sinnlichen Vergnügens und tiefster Vertrautheit auf wunderbare Weise einzufangen. Die Porträtierten sind so vollkommen in ihrer Beschäftigung versunken, dass der Maler sich wie ein Eindringling fühlen musste.
Johannes Thiele hat nicht nur eine großartige Bildauswahl aus verschiedensten Epochen zusammengestellt – er kommentiert und interpretiert sie auch informativ, pointiert und voller Empathie. Am Gesichtsausdruck der Leserinnen erkennt man teilweise, um welche Art von Lektüre es sich handelt. Ein errötetes Lächeln könnte auf leichten, frivolen Lesestoff deuten, ernste Gesichter auf schwere Kost oder emotionsgeladene Briefe.
Die Bandbreite der dargestellten Frauen reicht von jungen Mädchen über vornehme Salondamen bis hin zu selbstbewussten, eleganten Frauen. Interessant ist auch die Vielfalt der Leseplätze. Manch ein Dienstmädchen nutzte jede freie Minute, um sich mit seinem Roman in ein Kämmerchen zurückzuziehen und ungestört lesen zu können. Andere liegen ausgestreckt auf einem Canapé und wirken durch ihre Anmut, Schönheit und Versunkenheit unnahbar. Und doch fühlt man sich als Lesebegeisterte diesen Frauen und ihrer Leidenschaft sehr nahe. Ein Kunstband, das sich sehr gut als Weihnachtsgeschenk eignet.