Odyssee durch das besetzte Frankreich

Der Zeugenbericht von Françoise Frenkel mit dem Titel „Nichts, um sein Haupt zu betten“ ist unglaublich und ergreifend zugleich. Die polnische Jüdin erfüllte sich nach ihrem Literaturstudium in Paris einen Traum und eröffnete 1921 eine französische Buchhandlung in Berlin. 19 Jahre später, kurz vor Ausbruch des Krieges, musste sie das Geschäft aufgeben und nach Paris flüchten. Ab da beginnt eine Odyssee quer durch das besetzte Frankreich über Avignon, Vichy und Nizza bis in die Schweiz, die man sich kaum vorstellen kann, würde die Autorin sie nicht so fesselnd und authentisch schildern.
Sie berichtet von den Lebensverhältnissen während der Vichy-Regierung, als die Bevölkerung den Besatzern und ihrem dekadenten Lebensstil möglichst aus dem Weg ging. Die Lage spitzt sich jedoch immer mehr zu, und bald stehen Diebstähle, Erpressungen, Flucht, Verhaftungen und Deportationen auf der Tagesordnung. Was die Menschen damals nicht alles versucht haben, um sich in Sicherheit zu bringen!
Das Besondere an ihrem Bericht ist, dass Frenkel immer wieder die Menschlichkeit hervorhebt, die sie in ihrem durch Einsamkeit, Angst und Schrecken geprägtes Leben erfahren hat. So beschreibt sie viele bewegende Szenen der Solidarität, zum Beispiel auf der Post, wo sich Menschen voller Hoffnung und Erwartung zusammenfanden und sich Mut zusprachen, im Zug, wo Reisende sich gegenseitig Fotos von Familienangehörigen und Mitbringsel zeigten und Lebensmittel schenkten oder im Hotel Roseraie, das Flüchtlinge verschiedenster Nationalitäten aufnahm.
Wie anders wäre ihr Leben verlaufen, wenn Frenkel nicht Menschen voller Güte und Fürsorge wie das Ehepaar Marius getroffen hätte, die ihr in Nizza Unterschlupf boten und ihr Leben riskierten. Sie versäumt ebensowenig, ihre Empfänglichkeit für die Schönheit der Natur und der Städte zu beschreiben und die Stimmung an der Promenade des Anglais oder auf einem Blumenmarkt atmosphärisch wiederzugeben. Ihr Zeugenbericht ist ein Juwel und hat sich stark in mein Gedächtnis eingeprägt.