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Ehetherapie mit Stendhal und Proust

2018-04-18
Brokdorf
Ehetherapie mit Stendhal und Proust

Ich stelle es mir ziemlich aufregend vor, seine Jugendliebe nach dreißig Jahren wiederzusehen – besonders dann, wenn man gerade einen Roman über die Person geschrieben hat und ihr nach der Lesung begegnet und obendrein merkt, dass man sie immer noch begehrt. Für den Ich-Erzähler in dem Roman „Sozusagen Paris“ läuft es allerdings nicht so spannend ab und für den Leser auch nur eingeschränkt.

Das Treffen mit seiner Protagonistin Jutta beginnt zwar vielversprechend, denn nach einem gemeinsamen Abendessen lädt sie ihn zu sich nach Hause ein. Doch dann dreht sich ihr Gespräch fast ausschließlich um Juttas Ehekrise und Tantra-Kurse, während ihr Mann sich nach einem Streit über Chipstüten nebenan zurückgezogen hat.

Navid Kermani hat hier schon eine seltsame Konstellation geschaffen: Jutta erzählt, wie sie ihren Mann kennenlernte und wie es mit ihrer Ehe allmählich bergab ging, während der Ich-Erzähler plant, darüber seinen nächsten Roman zu schreiben. Er entpuppt sich dabei nicht nur als scharfer Beobachter, der Juttas Mimik und Gestik genauestens analysiert und interpretiert, sondern auch als Literaturexperte. Inspiriert vom Bücherregal in ihrem Wohnzimmer zieht er Werke von Proust, Balzac oder Stendhal zu Rate, um über die Liebe und Ehe zu philosophieren und reflektiert gleichzeitig über die Rolle des Romanschreibers und Lektors.

Trotz meiner Begeisterung für die französische Literatur war die Anhäufung von Zitaten sogar mir zuviel angesichts der handlungsarmen Geschichte. Kermanis anspruchsvoller Sprachstil und seine unterhaltsame Selbstironie helfen über manche Längen hinweg, doch im Ganzen konnte mich sein Roman nicht überzeugen.