Schonungsloses Bekenntnis

In der Reihe „München erlesen“ ist einer der fesselndsten Romane erschienen, den ich bisher gelesen habe: „Wir sind Gefangene“ von Oskar Maria Graf. Ich bekam das Buch zum Geburtstag geschenkt und bin meiner Freundin sehr dankbar, dass sie mich mit einem meisterhaften Schriftsteller bekannt gemacht hat.
Oskar Maria Graf schildert seine dramatische Lebensgeschichte so plastisch, dass ich in jeder Etappe mitgelitten habe. Als Bäckerlehrling in seinem Heimatdorf Berg am Starnberger See wird er ständig von seinem Bruder Max verprügelt und flieht in die Großstadt München. Sein Traum: ein literarisch anerkannter Dichter zu werden und genügend Geld zu verdienen, um frei zu sein.
Sein Kontakt zu der Schwabinger Bohème und den Anarchisten, die sich als verlogen und naiv entpuppen, endet enttäuschend. Beim Militär und in der Psychiatrie steigert er sich nur noch mehr in seinen Zorn. Überall fühlt er sich gefangen und schiebt die Verantwortung für seine Misere auf die Gesellschaft.
Mit der Zeit wird er immer skrupelloser: Er beteiligt sich an der Räterepublik, schmarotzt bei einem Mäzen und handelt auf dem Schwarzmarkt. In jeder Lebensphase schwankt er zwischen Begeisterung, Hoffnung, Wut und Enttäuschung. Seine Absichten und Gefühle schildert er so offen und schonungslos wie kein anderer. Ich hatte fast das Gefühl, den Autor besser zu kennen als so manchen Nahestehenden. Nebenbei erlebt man die chaotische Zeit der Münchener Revolution und Räterepublik hautnah mit.
Auf meinem Nachttisch liegt schon das nächste Buch von Graf „Des Teufels General“, auf das ich sehr gespannt bin.