Die Geister der Vergangenheit

Die Vergangenheit hinter sich lassen und in die Zukunft blicken – das sagt sich so leicht, doch nicht jeder schafft es, loszulassen und zu vergessen. Besonders dann nicht, wenn man solch ein traumatisches Erlebnis hatte wie Elisabetta Shapiro, Ich-Erzählerin des Romans „Das Marillenmädchen“ von Beate Teresa Hanika.
Jedes Mal, wenn Elisabetta nach mütterlicher Tradition aus den Früchten ihres Marillenbaumes Marmelade kocht und den Duft einatmet, kommen die Erinnerungen an ihre jüdische Familie hoch. Sie war gerade einmal neun Jahre alt, als ihre Eltern und ihre beiden älteren Schwestern Rahel und Judith 1944 ins KZ deportiert wurden, und kehrte als einzige Überlebende ins Familienhaus zurück.
Dass eines Tages die junge deutsche Balletttänzerin Pola zur Untermiete in ihr Haus einzieht, macht die Sache nicht leichter. Elisabetta führt ständig Zwiegespräche mit ihren verstorbenen Schwestern und durchlebt in ihren Gedanken die Vergangenheit ein zweites Mal. Die Autorin wechselt dabei nicht nur die Zeitebenen, sondern auch die Erzählperspektive. So erfahren wir parallel Polas enge Freundschaft zu einem Mädchen, das ebenfalls Rahel heißt, und dass eine Verbindung zu Elisabettas Leben besteht.
Beate Teresa Hanika schreibt bildgewaltig, intensiv und poetisch. Manche Szenen sind so beklemmend, das sie noch eine ganze Weile nachwirken. Allerdings hatte ich immer wieder Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen. Sowohl die Zeitebenen als auch die gleichnamigen Frauen lassen sich schwer auseinanderhalten und sorgen für Verwirrung.