Im Schatten eines egomanischen Künstlers

Kinder von gefeierten Künstlern haben es nicht leicht, besonders wenn sie ein Leben lang im Schatten eines egomanischen Malers stehen. Um eine tragikomische Vater-Sohn-Beziehung und den Wunsch nach Liebe und Anerkennung geht es in „The Italian Teacher“ ("Die Gesichter"), dem neuesten Roman von Tom Rachmann zeigt.
Sohn Charles wächst in Rom auf, buhlt um die Liebe und Anerkennung seines Vaters Bear und eifert ihm nach. Als ihn Bear nach New York einlädt, kann der Elfjährige es kaum erwarten, ihm sein erstes Bild zu zeigen. Bears Kommentar fällt jedoch niederschmetternd aus: "You will never be an artist". Damit macht er jegliche Träume zunichte. Charles’ tiefe Enttäuschung und Wut auf seine Mutter, die ihn so stark zur Malerei ermutigt hat, vermittelt Rachman hautnah durch sprachliche Brillanz und mitreißende Erzählkraft.
Charles gibt die Malerei auf, lebt eine Weile in Toronto, später in London als Italienischlehrer. Der Dominanz seines Vaters kann er sich jedoch weiterhin nicht entziehen. Als er mit seiner Freundin Barrows seinen Vater im Cottage besucht, kommt es zu einer Diskussion und Auseinandersetzung, bei der er sich wieder einmal ausgeschlossen fühlt. Nie kann er seinen Mann stehen, und so scheint das Leben an Charles vorbeizuziehen. Im Laufe der Handlung erleben wir jedoch so manch raffinierte Wendung.
Tom Rachmann, der sich in „The Imperfectionist“ die Presse- und Buchwelt vorknöpfte, lässt den Leser diesmal in die Kunstszene eintauchen. Es ist faszinierend, wie facettenreich er das Thema beleuchtet. Er deckt das ganze Spektrum ab, von der Eitelkeit und dem Wunsch nach Unsterblichkeit über den absurden Personenkult und die Wichtigtuerei von Galeristen und Kritikern bis hin zu der Frage, inwieweit Genialität rücksichtsloses Verhalten rechtfertigt. Ob Charles oder Bear Bavinskys Werke künstlerisch wertvoll sind, sei dahingestellt – dieser Roman ist es definitiv!