Pionierin der japanischen Familienplanung

Die Frauenemanzipation in Japan hinkt dem Rest der Welt immer noch hinterher. Umso größer ist meine Bewunderung für eine Frau wie Shidzué Ishimoto. Erst durch ihre Autobiografie „Ein Leben in zwei Welten“, die sie für ein britisches und amerikanisches Lesepublikum 1935 auf englisch schrieb und nun ins Deutsche übersetzt wurde, lernte ich die bedeutende Feministin und Politikerin näher kennen.
Sie wird 1897 in eine reiche Samurai-Familie geboren und und bekommt von ihrer Mutter die höchsten Frauenideale einer feudal geprägten Gesellschaft eingeimpft: seine eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken, das Leben zu ertragen und sich nach einer arrangierten Ehe dem Mann und der Schwiegermutter zu unterwerfen. Dabei hat Shidzué noch Glück: Ihr zehn Jahre älterer Ehemann Keikichi Ishimioto erweist sich als liberaler Mann voller idealistischer Ideen, der sich nicht nur gesellschaftlich engagiert, sondern auch seine Frau dazu ermutigt, ein selbstständiges Leben zu führen.
Nicht nur die Ehe, auch die gemeinsame Reise nach USA, wo sie einen Sekretärinnenkurs besucht, und die Begegnung mit der Geburtenkontrollaktivistin Margaret Sanger stellt die Weichen für ihre künftige Lebensaufgabe: durch Familienplanung und Reformen die Frauen aus der Sklaverei und Armut zu befreien. Es ist schon bemerkenswert, welchen Wandel Shidzué in ihrem Leben durchmacht: von einem unbedarften und unselbstständigen Mädchen zu einer engagierten Frau, die auf proletarischen Veranstaltungen Reden zur Familienplanung hält.
Trotz mehrerer Rückschläge und Kritik aus ihrem Familienkreis, lässt sie sich nicht entmutigen, doch auch das hat seine Grenzen, als sich sogar ihr Ehemann aufgrund persönlicher Enttäuschungen gegen sie auflehnt. Dass sie ihre Herkunft und Erziehung nicht völlig abstreifen kann, zeigt sich darin, dass sie bereit wäre, ihre Karriere für eine harmonische Ehe zu opfern.
Ich brauchte eine Weile, bis ich in in ihren Text hineinfand. Am Anfang erschienen mir die detaillierten Beschreibungen der Rituale im Haus langatmig und ein wenig distanziert, doch dann gewann ihr Bericht immer mehr an Farbe, Emotion und Brisanz. Ich hatte das Gefühl, dass sich ihre persönliche Entwicklung und ihr zunehmendes Selbstbewusstsein auch in ihrer Ausdrucksweise widerspiegelt. Sie erzählt dabei nicht nur ihre eigene bewegende Lebensgeschichte, sondern vermittelt auch sehr viel Wissenswertes über die japanischen Traditionen wie Ikebana, Teezeremonie und Geishas sowie die damaligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse.