Schicksal einer Bauhausschülerin

„Es ist merkwürdig. In wenigen Minuten werde ich Millionär sein. Vielfacher Millionär.“ Mal ehrlich, wer könnte bei dem Einstieg aufhören zu lesen? Dabei spielt der Glückspilz in dem Roman „Wenn Martha tanzt“ von Tom Saller gar nicht mal die Hauptrolle. Es geht vielmehr um seine Urgroßmutter Martha, deren Notizbuch er entdeckt und für fünfundvierzig Millionen Dollar bei Sotheby’s in New York versteigert.
Im Folgenden erfahren wir nicht nur, warum diese schwarze Kladde so viel wert ist, sondern auch die bewegende Lebensgeschichte der Besitzerin. Der Autor hat ein besonderes Talent, die Handlung in bildreiche Settings zu setzen, die alle Sinne ansprechen: zum Beispiel den Haushalt der Musikerfamilie, in der Martha aufwächst und ihre Begabung, Töne zu sehen, zunächst verkannt wird; später der Studienalltag am Weimarer Bauhaus, wo Martha den Ausdruckstanz für sich entdeckt.
Tom Saller vermittelt nicht nur ein authentisches Bild der künstlerischen Welt und ihren Ideen, sondern schildert auch den zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Druck und die Erschütterungen durch die Machtübernahme der Nazis und den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Der Wechsel zwischen der Handlung in der Gegenwart aus der Sicht des Urenkels und der Vergangenheit und so manch unerwartete Wendungen in Marthas Leben erhöhen die Spannung ungemein, so dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte.