Anekdoten eines Pianisten

Der Roman „Selbstbildnis mit russischem Klavier“ von Wolf Wondratschek handelt von einer Begegnung, die man sich in einem Wiener Kaffeehaus gut vorstellen kann: Zwei ältere Herren, ein Schriftsteller und ein einst erfolgreicher russischer Pianist, treffen aufeinander und unterhalten sich über Musik, Kunst und den Sinn des Lebens. „Unterhalten“ trifft es vielleicht nicht ganz – eher handelt es sich um einen Monolog des Pianisten Suvorin, der den Drang verspürt, seine Lebensgeschichte zu erzählen.
Seine sentimentalen Erinnerungen kreisen vor allem um die Musik und die vergangenen Bühnenauftritte. Dabei beschäftigt Suvorin die Frage, ob und inwieweit die Darbietung dem Publikum gefallen muss und was für den Künstler Erfüllung bedeutet. Dabei wechselt der Autor oft von der dritten in die erste Person, so dass man nicht mehr sicher ist, ob gerade der Schriftsteller oder der Pianist erzählt. Vermutlich ist genau das beabsichtigt, denn die philosophischen Gedanken lassen sich genauso gut auf die Perspektive des Autors und den Literaturbetrieb übertragen.
Weitere zentrale Themen sind Suvorins Ehefrau, die bei einem tragischen Busunglück ums Leben kam, sowie die Hotelbars in San Remo, wo er endlich ohne lästigen Applaus spielen konnte. Das Buch enthält viele kluge Gedanken und poetische Sätze. Ich hätte mir allerdings mehr Interaktion und ein Spannungsfeld zwischen den zwei Protagonisten gewünscht.